Essen.. Adina (20) und Stefan (25) sind Mitglied der IG Metall. Am 1. Mai dabeizusein, ist für sie mehr als nur Pflichtprogramm.


Stefan Görke und Adina Branescu sind so etwas wie Hoffnungsträger in Zeiten vergreisender Gewerkschaften. Jung und engagiert. Sie 20, er 25, beide Mitglied in der IG Metall Essen. Am 1. Mai werden sie mit Bollerwagen und Lautsprecher durch die Straßen ziehen und „mächtig Rabatz“ machen.

Seit Februar haben sie sich an vielen Nachmittagen und Abenden nach der Arbeit auf diesen Tag vorbereitet, mit anderen aus der Gewerkschaftsjugend Aktionen überlegt, gebastelt, geprobt. Der 1. Mai ist schließlich die „Königsdisziplin“ in einem Gewerkschaftsjahr, sagt Stefan. Und dennoch sei es jedes Jahr aufs Neue schwierig, junge Mitglieder davon zu überzeugen, mit auf die Straße zu gehen und für bessere Bedingungen in der Ausbildung zu kämpfen. Häufig hören sie die Frage: Warum soll ich da mitkommen? Adina ärgert das: „Zu wenige sehen das als ihre Pflicht an.“

Adina trat 2014 in die IG Metall ein, Stefan 2011. Beide gehören in ihren Betrieben Siemens und Kennametal Vidia auch der Jugendausbildungsvertretung an – kurz JAV. Die „Javis“, wie sie sich nennen, sind vergleichbar mit Betriebsräten, die sich um die Angelegenheiten der Azubis kümmern. Regelmäßig treffen sich die Javis im Jugendkeller im Gewerkschaftshaus in der Teichstraße, tauschen sich aus. Mehrmals im Jahr fahren sie zu Seminaren an Wochenenden. Alles ehrenamtlich. Warum sie das tun? „Für mich ist die Gewerkschaft eine Gemeinschaft, auf die ich mich verlassen kann, auch wenn es mal Probleme gibt“, sagt Adina, die vor neun Jahren aus Rumänien nach Essen kam.

Auf Nachwuchs ist die IG Metall dringend angewiesen. Sie zählt in Essen 10 600 Mitglieder. Der Ortsverband gehört vom Altersdurchschnitt mit zu den ältesten in ganz Deutschland. Mit dem Einbruch der Industrie in der Stadt sanken auch die Mitgliederzahlen. Seit einiger Zeit aber steigen die Neueintritte wieder. Nicht zuletzt durch ihre Jugendarbeit gewinnt die IG Metall auch mehr jüngere Leute für ihre Idee. Das seien keine Riesen- Sprünge, räumt IG-Metall-Sekretär Alfons Rüther ein. Aber seit vier Jahren geht es bei den jungen Mitgliedern peu a peu bergauf.

Adina hatte im September 2014 gerade ihr duales Studium bei Siemens begonnen, da lud die Gewerkschaft die neuen Azubis in ihr beschaulich gelegenes Bildungszentrum nach Sprockhövel nahe Hattingen ein. Nach diesem Einsteiger-Wochenende voller Workshops und geselliger Stunden hatte die IG Metall mit Adina ein Mitglied mehr. Bis dahin wusste die junge Frau wenig von Gewerkschaften und deren Arbeit: „Im Gymnasium war das kaum Thema.“ Stefan pflichtet ihr bei. Er arbeitet bei Kennametal in der Instandhaltung. Vor der Ausbildung dort hatte der 25-Jährige in einem Kfz-Betrieb gelernt, wurde wie viele in seiner Berufsschulklasse nicht übernommen. „Da steht man da und hat ohne Berufserfahrung keine Chance, einen Job zu bekommen.“ Eine frühe einschneidende Erfahrung. Vor einigen Jahren erkämpfte die IG Metall die Übernahme von Azubis in der Metall- und Elektrobranche. Die Arbeitgeber schluckten die Kröte nur widerwillig, doch für Leute mit Erfahrungen wie Stefan war dies eine Errungenschaft.

„Garantie für eine gute Mitte“

Adina bedauert es, dass es viele heute als gegeben hinnehmen würden, was Gewerkschaften in den vergangenen mehr als 160 Jahren erkämpft haben. Adina kennt einige, die der Gewerkschaft wieder den Rücken gekehrt haben. Vielleicht, weil sie den Mitgliedsbeitrag sparen wollten, vor allem aber, weil sie glauben, dass sie auch ohne Mitgliedschaft von der Gewerkschaftsarbeit profitieren.

Wenn man die 20-Jährige fragt, warum sie Gewerkschaften auch heute noch für wichtig hält, dann bringt sie das Prinzip der Mitbestimmung auf einen einfachen aber klaren Punkt: „Es muss auf beiden Seiten gezogen werden, damit es eine gute Mitte gibt.“