Essen. . Beisetzung des 21-Jährigen erfolgte Dienstag auf dem Hallo-Friedhof in Essen. Trauergäste kamen aus ganz Deutschland. Polizei zeigte Präsenz am Haupteingang.
- Beisetzung des 21-Jährigen erfolgte Dienstagmittag auf dem Hallo-Friedhof
- Die Trauergäste kamen aus ganz Deutschland nach Essen
- Die Essener Polizei zeigte Präsenz am Haupttor – keine Zwischenfälle
Der Hallo-Friedhof in Essen am Dienstagmittag: Pausenlos fahren Autos auf den kleinen Parkplatz und setzen Trauergäste am Haupttor ab. Eine ungewöhnliche Beerdigung steht kurz bevor: die Beisetzung von Moe K., dem jungen Deutsch-Libanesen, der, getroffen von sechs Pistolenschüssen, zwei Monate mit dem Tod gerungen hatte und am Samstag schließlich verstorben ist. Seine mutmaßlichen Mörder sind engste Verwandte.
Die Angst vor Racheakten legt eine merkwürdige Anspannung über diese Zeremonie. Denn in die Trauer um einen geliebten Angehörigen und guten Freund mischen sich abgrundtiefe Wut und Hass auf die Täter. „Das wird eine große Beerdigung, man rechnet mit 500 bis 600 Trauergästen“, flüstert ein Friedhofsmitarbeiter.
Die Autos tragen Kennzeichen aus ganz Deutschland, bullige SUVs und 7er BMW aus Essen rollen vor, eine schwere Mercedes-Limousine aus Hamburg, einer mit Werbung für einen Shisha-Shop, viele aus Niedersachsen, einige aus Baden-Württemberg und dann der schrille „GE“-Daimler in rotem Camouflage-Outfit. Ältere Frauen, schwarz gewandet und mit Schleier, steigen aus und junge Bartträger mit Baseball-Caps, die meisten muskulös.
Sehr beliebt und „unschuldig“
Moe sei sehr beliebt gewesen und habe vor allem in Altendorf, Altenessen und Katernberg besonders viele Freunde gehabt. Den seit Jahren schwelenden Streit innerhalb des Clans habe ein „Unschuldiger“, mit dem Leben bezahlen müssen, heißt es. Seine Tante, die Schwester von Moes Vater Bahjad, soll die Ex-Frau von Abdelhamid K. sein, der am 9. April mittags vor „Görtz“ niedergestochen wurde. Daraufhin verpasste nach den bisherigen Erkenntnissen der Polizei Abdelhamids Bruder Mahmoud dem 21-Jährigen kurz vor Mitternacht auf der Friedrich-Ebert-Straße die letztlich tödlichen Schüsse.
Essen zählt neben Berlin und Bremen zu den Hochburgen libanesisch-kurdischer Clans, den so genannten „Mhallami“. Einwanderer, von denen viele aus ihrer Verachtung für den Rechtsstaat kein Hehl machen. Im Laufe von dreißig Jahren haben sie eine Paralleljustiz etabliert, in der Friedensrichter und Stammesälteste, Patriarchen und Clan-Chefs eigenes Recht sprechen – inklusive Blutrache und sechsstelligen Schmerzensgeldern. Dass sich am Haupteingang gut sichtbar ein Streifenwagen und mehrere Krad-streifen postiert haben, soll als unmissverständliches Signal von Polizei und Stadt verstanden werden: Wir dulden keine Gewalt.
Der Hallo-Friedhof ist für diese Beerdigung nicht zufällig gewählt, er gilt in muslimischen Kreisen als gute Adresse. Schon Anfang der siebziger Jahre zählte er zu den ersten der Stadt, der für die erste türkische und arabische Gastarbeiter-Generation eigens ein „Islamisches Bestattungsfeld“ anlegte. Weil dieses längst vollständig belegt ist, haben sie 2012 oben auf dem Bergplateau ein zweites angelegt. Von 1000 Beerdigungen im Jahr, so heißt es, würden mittlerweile gut 200 nach muslimischem Ritus durchgeführt.
Zehn Schaufeln für die Erde
Moe, den durch die Revolverkugeln übelst Zugerichteten und der auf der Intensivstation von 100 auf 40 Kilogramm abgemagert sein soll, setzen sie in Feld 58 bei. Männer richten den in Leinen gehüllten Leichnam nach den Anweisungen und Gebeten des Imams in Richtung Mekka aus, dann greifen die meist sehr leger gekleideten Männer reihum zu den Schaufeln und verschließen das Grab. Allein zehn Schaufeln haben die Friedhofsmitarbeiter für dieses Ritual bereitgestellt. Erst wenn die Männer ihre Arbeit verrichtet haben, dürfen die trauernden Frauen vor das Grab treten.
Dass Moe friedlich und ohne Zwischenfälle beerdigt worden ist, ist auch das Verdienst engagierter Sozialarbeiter, die im Hintergrund mäßigend auf die Angehörigen eingewirkt haben. Aber die Vorstellung, dass womöglich einer der Trauergäste dennoch früher oder später blutig Rache nehmen könnte, drückt der Zeremonie am Hallo einen bizarren und beklemmenden Stempel auf.