Essen. Das Folkwang Kammerorchester geht erfolgreich neue Wege: Neben der Villa Hügel sorgen die Musiker auch im Essener Norden für Extra-Klassikerlebnisse.

Tradition verpflichtet. Aber sie muss kein Dogma sein. Das Folkwang Kammerorchester, das mit Stolz auf eine bald 60-jährige Geschichte zurückblickt, wirkt jedenfalls ausgesprochen flexibel und innovativ. Bestes Beispiel der künstlerischen Aufbruch-Lust: Für die Reihe der Extraklang-Konzerte verabschiedet sich das Kammerorchester in der nächsten Spielzeit von dem seit 1958 angestammten Konzertort, der ehrwürdigen Villa Hügel, und wagt das Auswärtsspiel in der Halle 5 auf Zeche Zollverein. „Wir lieben die Villa Hügel“, versichert Chef-Dirigent Johannes Klumpp, „aber wir brennen auch darauf, neue Publikumskreise für unsere Konzerte zu gewinnen“. Mit einer Mozart-Mordnacht, moderiert von Herbert Feuerstein, hat die Premiere bereits gut geklappt.

Und überhaupt kann Geschäftsführerin Weneta Scazzi „eine höchst erfreuliche Entwicklung“ vermelden. Fünf Prozent mehr Abos wurden verkauft, die Einnahmen konnten um ein Fünftel erhöht werden. Das Orchester, das vor Jahren noch von existenzieller Finanznot geplagt war, schüttelt die Sorgen ab und die steife Erhabenheit sowieso. Mit neuen Formaten, Orten und Gesichtern will sich das junge Orchester präsentieren, das seit Jahrzehnten für exzellente Nachwuchs-Talente als verlässliches Karriere-Sprungbrett für die großen Philharmonien von Berlin, Düsseldorf bis Essen fungiert.

Die ExtraKlang-Konzerte

Nicht so ernst! heißt es auf Zollverein am 16./17. September, 20 Uhr. Klassiker mit Augenzwinkern stehen auf dem Programm, darunter Joseph Haydns legendäre „Abschiedssinfonie“. Solist ist der junge Ausnahmegeiger Tobias Feldmann.

Er spielt Klavier, aber das spielt er auch mit Drähten, Tischtennisbällen, Reißzwecken. Hauschka heißt der Solitär im Konzertwesen, der am 20./21. Januar seine „New World New Sound „Materials“ präsentiert.

Zwei Weltkriege, Kompositionen, die von Verfolgung und Leid, Tod und Trost, aber auch von Anbiederung erzählen, ein „Weltenbrand“ auf der Bühne (10./11. März): mit Musik von Maurice Ravel bis Hans Pfitzner, von Viktor Ullmann bis Beethoven. Der Essener Filmemacher Axel Fuhrmann sorgt für multimediale Begleitung, Schauspielerin Esther Schweins fungiert als Sprecherin.

Dass selbst Mozart beim Folkwang Kammerorchester immer wieder neu und unverbraucht klingt, ist auch der mitreißenden und erfrischend unprätentiösen Konzert-Moderation von Johannes Klumpp zu verdanken. Die diesjährige Mozart-Konzertreihe in der Villa Hügel geht dabei einmal „quer durch alle Stile“, erklärt der 35-jährige Dirigent. Angefangen bei den „Frühen Würfen“ (28./29./30. Oktober) über den theatralischen Mozart (Vorhang auf! am 10./11./12. Februar) bis zur „Stilreise“ am 5./6./7. Mai, bei der Star-Bratschist Nils Mönkemeyer erneut in der Villa Hügel zu Gast ist und Mozarts selten zu hörendes „Konzert für Viola“ spielt.

Gastdirigent leitet Barock-Konzerte

Dass Konzertsaal-Hochkaräter wie Starpianist Herbert Schuch und Nils Mönkemeyer auch „zu unseren Preisen“ auf dem Hügel gastieren, wertet Klumpp vor allem als Kompliment an die Musiker. Die überzeugen auch die Kleinsten in den Familienkonzerten (29. Oktober, 10. Dezember, 11. Februar, 6. Mai, jeweils 18 Uhr). Zumal, wenn jugendliche TV-Prominenz wie Juri Tetzlaff die Welt des jungen Mozarts oder das späte Meisterwerk des Musikgenies dazu erklärt.

Die Reihe der Barock-Konzerte liegt auch 2016/17 in den Händen von Gastdirigent Gottfried von der Goltz. Mit dem Leiter des Freiburger Barockorchesters geht’s durch die „Nationen“ (25./26. November), der „Wahnsinn aus England“ beschert Musik von Händel und Purcell und den Auftritt von Countertenor Terry Wey (24./25. März), Bachs Suiten schließen den Reigen ab (19./20. Mai). Dazu kommen Angebote wie die viel gefragten Weihnachtskonzerte, das Silvesterkonzert (Thema Beatles) oder die erfolgreich gestarteten Seniorenkonzerte in der Lichtburg (11. Dezember/26. März).