Essen/Münster. . Sechs Wochen nach dem Anschlag auf den Sikh-Tempel zeichnet sich ab, dass ein salafistisches Netzwerk hinter dem Anschlag steckt. Münsteraner (bei Hildesheim) festgenommen.

  • Nach dem Sprengstoffanschlag auf den Essener Sikh-Tempel am 16. April wird die vierte Festnahme bekannt
  • Staatsanwaltschaft wird Münsteraner (20) „Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat“ und weitere Straftaten vor
  • Beschuldigter bestreitet die gegen ihn erhobenen Vorwürfe und befindet sich weiterhin in Untersuchungshaft

Der islamistische Sprengstoffanschlag auf den Essener Sikh-Tempel am 16. April zieht weitere Kreise. Die Staatsanwaltschaft Münster hat am Montag bekanntgegeben, dass sie ein Ermittlungsverfahren gegen einen 20 Jahre alten Münsteraner führt. Sie wirft ihm die „Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat“ und weitere Straftaten vor. Nach Erkenntnissen der Münsteraner Ermittler hatte der Deutsch-Türke, der schon am 27. März festgenommen wurde, Verbindungen „zu einer Gruppe junger Salafisten, die Sprengstoffanschläge auf Andersgläubige durchführen wollte“.

Anfang dieses Jahres soll der Münsteraner mit Mitgliedern dieser Gruppe an einer Probesprengung teilgenommen haben. Wie diese Zeitung berichtete, hat es offenbar zwei solcher Probesprengungen gegeben, die auch mit Handykameras gefilmt worden sind. Einige der Gruppenangehörigen, so die Staatsanwaltschaft Münster weiter, stehen im Verdacht an dem Sikh-Tempelanschlag in Essen beteiligt gewesen zu sein. Bislang hat die Polizei drei junge Salafisten im Zusammenhang mit dem Essener Attentat festgenommen: Mohammed B. (16) aus Essen, Yussuf T. (16) aus Gelsenkirchen und Tolga I. (17) aus Schermbeck-Gahlen.

Islamistisches Netzwerk statt Einzeltäter

Sechs Wochen nach diesem Attentat zeichnet sich ab, dass keine verirrten Einzeltäter am Werke waren, sondern offenbar ein weit verzweigtes islamistisches Netzwerk, das sich über mehrere deutsche Städte – Essen, Duisburg, Dinslaken-Lohberg, Schermbeck, Gelsenkirchen, Münster und Hildesheim – erstreckt.

An der unmittelbaren Ausführung des Tempel-Anschlags ist der 20 Jahre alte Münsteraner nicht beteiligt gewesen. Zu seiner Festnahme Ende März, also gut drei Wochen vor dem Anschlag, war es gekommen, weil seine Mutter schon am 25. März aus lauter Verzweiflung die Polizei eingeschaltet hatte. Sie befürchtete, ihr Sohn werde nach Syrien ausreisen und sich dem dort den Dschihadisten des „Islamischen Staates“ anschließen, berichtet die Staatsanwaltschaft.

Bemerkenswert sind die Parallelen zum Fall Tolga I. aus Schermbeck. Auch hier hatte die Mutter Alarm geschlagen und die Polizei über die dramatische Radikalisierung ihres Sohnes berichtet. Doch in Münster wurde rasch gehandelt. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft habe das Amtsgericht Münster schon einen Tag später, am 26. März, einen Haftbefehl gegen den 20-Jährigen erlassen. Bereits am nächsten Tag sei der Beschuldigte in der Nähe von Hildesheim festgenommen worden. Hildesheim gilt nach Einschätzung des Landeskriminalamtes als Zentrum des radikalen Islamismus in Niedersachsen. Am 29. März war der „Deutschsprachige Islamkreis“ in Hildesheim Ziel einer Razzia des LKA. Zwei Ehepaaren wurden die Reisepässe abgenommen. Offenbar hatten sie die Ausreise nach Syrien oder in den Irak geplant, um sich dort der Terrormiliz IS anzuschließen.

Durchsuchung offenbarte Verbindung zu Essener Tempelbombern

Dass die Festnahme des jungen Münsteraners erst jetzt, mehr als zwei Monate später, publik gemacht wurde, begründet Martin Botzenhardt, der Sprecher der Münsterander Staatsanwaltschaft, so: „Wir haben nach der Festnahme umfangreich ermittelt und wollten unsere Ermittlungserfolge nicht gefährden.“

Bei einer Wohnungsdurchsuchung hatten die Ermittler den Computer und das Mobiltelefon des jungen Mannes sichergestellt. Darauf hätten sie Hinweise „auf eine radikal-islamistische Einstellung des Beschuldigten“ gefunden. Die Verbindungen zu den Essener Tempelbombern seien erst nach dem Anschlag ermittelt worden.

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Münster hat das Amtsgericht am 23. Mai den bereits seit März bestehenden Haftbefehl aufgrund der aktuellen Ermittlungsergebnisse erweitert – „wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat und des Verstoßes gegen das Sprengstoff- und Waffengesetz“.

Der Beschuldigte bestreitet die gegen ihn erhobenen Vorwürfe und befindet sich weiterhin in Untersuchungshaft. Die „umfangreichen Ermittlungen“ dauern an, so die Staatsanwaltschaft.