Essen. . Die Messe Essen wird nun offiziell umgebaut - für 88,6 Millionen Euro netto. Was ist geplant? Und was sagen die Nachbarn, Grugapark und Grugatherme?
Mit den Leuten vom Bau verhält es sich ein bisschen so wie mit den Meteorologen: Wo denen das Herz aufgeht, weil ein spannender April mal wieder macht, was er will, hätte das Publikum gern Sonne und ein laues Lüftchen. Und wo die Bau-Fachleute vom Einsatz schweren Geräts schwärmen, von einer komplexen Baustelle, in der nicht weniger als 50.000 Dokumente und Pläne in den kommenden dreieinhalb Jahren die Messe-Modernisierung regeln, freuen sich die Passanten eher auf die neue gläserne Fassade – das moderne Gesicht der Messe Essen.
Immerhin, diese Visitenkarte, die nach all den zurückliegenden Querelen das Aushängeschild für den neuen modernen Auftritt darstellen soll, wird den Essenern und allen auswärtigen Messegästen gleich in der ersten von vier Bauphasen geboten: Mag das derzeit laufende Jahr noch dem zerstörerischen Abriss der alten Messe-Optik gehören – bis zum Oktober 2017 wächst dann neben der Grugahalle ein neues gläsernes Foyer heran, 2000 Quadratmeter groß, mit einem markanten Vordach, das U-Bahn-Nutzer in Zukunft trockenen Fußes in die Messe lotst. Parallel dazu werden im Gelände die Hallen 9.0 und 9.1 abgerissen. Hier entsteht zunächst der nördliche Teil der neuen Halle 6.
Neue transparente Messelounge
In Bauphase 2 von Oktober 2017 bis April 2018 werden dann die Hallen 4, 4A und 5 dem Erdboden gleich gemacht. Während anstelle der alten Halle 4 eine Logistikfläche entsteht, wächst auf dem Boden der alten Halle 5 der südliche Teil der neuen Halle 6 empor. Dort soll auch eine neue transparente Messelounge Platz finden. Von außen nicht sichtbar, so heißt es, werden zudem die alten Hallen im nördlichen Teil des Gelände-Komplexes „überarbeitet“.
In der dritten Bauphase von April 2018 bis August 2018 weichen die alten (Doppelstock-)Hallen 7.1, 8.0, 8.1 und die Reste der Hallen 9.0 und 9.1. Die neue modernisierte Halle 4 entsteht, und der Neubau des nördlichen Teils von Halle 5. Auch die modernisierten Bestandshallen werden dann in Sachen Klimatechnik, Sanitäranlagen und Beleuchtung auf den neuesten Stand gebracht.
Pläne für Umbau der Messe
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Beim baulichen Endspurt von September 2018 bis Oktober 2019 wird der Neubau an Halle 5 abgeschlossen – der Startschuss für die neue Hallen-Nummerierung, bei der dann mit Halle 8 Schluss ist, wo bislang noch doppelt so viele Hallen eines über die Jahrzehnte zusammengewucherten Areals für Verwirrung sorgen.
Große Fensteröffnungen zum Grugapark hin
Dies war schließlich auch ein zentrales Anliegen: mehr Ordnung zu schaffen, mehr Übersicht, für Veranstalter, Aussteller und für die Gäste. Erst danach zeigt sich auch das endgültige Gesicht der Messe zum Grugapark, das nicht mehr nur wie bisher als schroff dargebotene Kehrseite daherkommt, sondern den Austausch sucht: Große Fensteröffnungen in der Fassade schaffen Ein- und Ausblicke von der Messe zum Parkgeschehen und zurück.
Den ganzen Glanz der „Neuen Messe Essen“ erleben wenig später die Gäste der Motor Show, die Mitte November 2019 ihre Pforten öffnet. Bei alledem gilt: Während der Modernisierung geht der Messebetrieb weiter, die Veranstaltungen finden im gewohnten Turnus statt. Als Ausweichflächen dienen zwei hochwertige temporäre Hallen. Zu den eigentlichen Messelaufzeiten gibt es grundsätzlich einen Baustopp – auch daraus erklärt sich die dreieinhalbjährige Bauzeit.
Zwar gab es Überlegungen, den Rahmen enger zu fassen, was die Bau um immerhin ein ganzes Jahr verkürzt und die Verzögerung durch den Bürgerentscheid aufgeholt hätte. Doch das Risiko hätte allein auf Seiten der Messe gelegen: Kein Bauunternehmen war bereit, die Fertigstellung zu garantieren. Das Projekt liegt jetzt in den Händen von Bilfinger Hochbau, die als einzige die strengen auch finanziellen Vorgaben erfüllten: 88,6 Millionen Euro darf die neue Messe kosten, 15 Millionen bringt die Messe auf, die übrigen 73,6 Millionen kommen als Darlehen der Stadt Essen.
Grugapark-Chef sieht Messe-Baustelle mit gemischten Gefühlen
Die Messe Essen wird dreieinhalb Jahre lang zur Großbaustelle mit den üblichen Begleiterscheinungen. Dass sie im Grugapark sich darüber ihre Gedanken machen, wird niemanden überraschen. Thomas Hanster von der Parkleitung lässt im Gespräch mit der Redaktion durchblicken, dass das Großprojekt in unmittelbarer Nachbarschaft den Verantwortlichen beim städtischen Eigenbetrieb Grün & Gruga durchaus Bauchschmerzen bereitet. Aller Bemühungen der Messe zum Trotz, die Beeinträchtigungen für Besucher des Parks so gering zu halten wie möglich.
Dass der Zugang zum Park zwischen dem Messehaus Ost und der Grugahalle schmaler wird und der Park noch weniger sichtbar, dürfte das geringste Übel sein. Sorgen bereiten Lärm und Dreck. Ein 210 Meter langer Bauzaun aus Stahldraht trennt deshalb das Messegelände und damit die Baustelle vom Grugapark, was allein aus Sicherheitsgründen geboten ist. Noch lässt sich durch den Zaun hindurchsehen, bald sollen Planen die Sicht versperren und Spaziergänger vor Staub schützen.
Mauer aus Baucontainern soll Wassergarten schützen
Bei einem Zaun hat es die Messe nicht belassen. Auf 130 Metern länge reihen sich Baucontainer an Baucontainer. Zwei Etagen und damit sechs Meter hoch ist diese provisorische Mauer, die sicherstellen soll, dass Besucher des Wassergartens ihr Getränk unter freiem Himmel genießen können – trotz der Bauarbeiten. Denn der Biergarten bleibt geöffnet, er wird sogar zur Versorgungstation für die Bauarbeiter. Apropos: Jenseits der Containermauer wird die Baustellenlogistik abgewickelt, die Gasse wird zur Zufahrt für Baumaschinen und Lkw, die die Baustelle mit Material versorgen.
Grugapark im Wandel
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Ob der provisorische Schutz vor Lärm und Staub hält, was sich Messe und Grugapark davon versprechen, muss sich erst noch beweisen. Kritisch könnte es beim Abriss der alten Fassaden entlang der Nordfront werden, denn dann wird es richtig laut und staubig.
Neue Messefront wird an den Park heranrücken
Die Arbeiten in den Messehallen haben bereits begonnen. Laut Messe-Architektin Annette Heydorn arbeitet man sich von innen nach außen vor. Die alte Fassade dürfte im Juli, spätestens aber im August abgebrochen werden, mitten im Sommer zur Hochsaison in Park und Biergarten.
Die Montage der neuen Fassade werde laut Messe vergleichsweise geräuschlos über die Bühne gehen, tröstet Thomas Hanster sich und alle Gäste. Gute acht Meter weiter als bisher, also bis auf Höhe der heutigen Treppenhäuser wird die neue Messefront an den Park heranrücken. Auch die Gruga werde dadurch gewinnen. „Die Optik wird sicherlich ansehnlicher“, ist auch Hanster überzeugt.
Bis es soweit ist, hoffen sie auf Seiten der Parkleitung das Beste. Anlass für Abstriche beim Programm sah man dort nicht, auch Musikveranstaltungen sollen wie geplant über die Bühne gehen. Auch der Eintrittspreis bleibt trotz der Bauarbeiten nebenan der alte.
Grugatherme zwischen Bangen und Hoffen
Leicht hat es die Grugatherme nicht mit dem großen Nachbarn Messe Essen. Wer jemals einen Parkplatz für den Saunabesuch brauchte, wenn parallel eine Großmesse läuft, weiß wovon die Rede ist. Auch in den nächsten Jahren zwingt die Messe-Baustelle den „Kur vor Ort“-Betrieb zu schmerzhaften Kompromissen.
Das gilt vor allem für das Thema Parken. Der bei Thermen-Besuchern beliebte, weil nächstgelegene Messe-Parkplatz P 7 steht künftig nicht mehr zur Verfügung. „Als Ausgleich können wir unseren Gästen seit 2. Mai aber die Tiefgarage P 6 kostenlos anbieten“, sagt „Kur vor Ort“-Chef Karsten Peipe. Damit diese sich im Baustellen-Gewimmel zurechtfinden, hat die Messe sich verpflichtet, für eine gute Ausschilderung zu sorgen. Aber einen Nachteil gibt es auch: Die P 6-Stellplätze sind genauso weit weg wie die an der Lührmannstraße, auf die Thermen-Besucher schon jetzt während der Großmessen angewiesen sind.
Weil nicht jeder die Badetasche über so lange Distanzen schleppen kann und auch die Behindertenplätze direkt am „Blumenhof“-Gebäude baustellenbedingt ganz wegfallen, hat Peipe einen Elektro-Shuttlebus angeschafft. Der pendelt schon seit Montag täglich ab 8.30 Uhr zwischen dem Grugapark-Eingang an der Lührmannstraße und dem Haupteingang der Therme im alten „Blumenhof“-Gebäude. „Entscheidend ist: Unsere Gäste wissen, dass bei uns der Betrieb ganz normal weitergeht.“ Immerhin: „Über den Umgang der Messe mit uns kann ich nur Gutes sagen, seit Herr Kuhrt dort Geschäftsführer ist“, lobt Peipe. Er fühle sich ernst genommen mit seinen Sorgen.
Die größte Herausforderung für die Therme dürften die Jahre 2018 und 2019 werden, wenn die alten Hallen direkt am Blumenhof abgerissen und neu gebaut werden. Spätestens dann wird neben dem Thema Parken auch die Lärm- und Staubbelastung hinzukommen. Ganz sicher ein Problem für eine Einrichtung, die Erholung durch Ruhe und gute Luft bieten will – und muss. „Wir wissen jetzt noch nicht genau, wie sich das auswirkt, werden aber versuchen, unsere Gäste mit Boni bei Laune zu halten“, sagt Peipe. Besucher sollen etwa länger bleiben dürfen fürs gleiche Geld. Bleibt zu hoffen, dass die beliebte Einrichtung mit im Schnitt rund 230 Gästen pro Tag sich so über Wasser halten kann.
3D-Animation der neuen Messe Essen im Info-Pavillon
Wer heute schon wissen möchte, wie sie einmal aussehen wird, die schöne neue Messewelt, der kann sich davon im Info-Pavillon ein Bild machen. Dort lädt die Messe zu einem virtuellen Rundgang per Videoanimation in 3D ein. Dem Besucher öffnen sich die Türen zum neuen Foyer, zu Konferenzräumen, zur neuen Halle sechs und zur VIP-Lounge, wo das Kuchenbuffet reichhaltig gedeckt ist und die Damen und Herren an den Tischen trotzdem gertenschlank sind. Vier Minuten dauert das Filmchen, das Appetit machen soll auf das, was da kommt.
Zur Eröffnung am Montag war der 55 Quadratmeter große Pavillon gut besucht von 3D-Brillenträgern; die unverzichtbare Sehhilfe gibt es gratis wie auch Info-Material zum Umbau. Ein Schaubild erklärt den Ablauf während der einzelnen Bauphasen, eine Zeitleiste mit historischen Fotos veranschaulicht die wichtigsten Etappen der Messehistorie von 1913 bis heute und wagt einen Blick voraus bis 2019, wenn alles fertig ist.
Führungen während des Messe-Umbaus
„Uns ist auch zukünftig wichtig, umfassend über die Baumaßnahme zu informieren“, betont Messechef Oliver P. Kuhrt. Deshalb will die Messe es auch bei virtuellen Spaziergängen nicht belassen. Besucher haben auch während des Umbaus Gelegenheit, an Führungen über das Messegelände teilzunehmen.
Sobald genügend Anmeldungen für eine Kleingruppe vorliegen, informiert die Messe über Ort und Zeit. Führungen übernimmt in bewährter Form auch Messe-Architektin Annette Heydorn, die am Montag anlässlich des offiziellen Baustarts einfach nur froh war, „dass es endlich los geht“.
Der Info-Pavillon befindet sich gegenüber dem Messehaus Ost gleich hinter der Einfahrt zum Parkplatz P 1. Die zentrale Anlaufstelle für Besucher ist mittwochs von 15 bis 18 Uhr geöffnet sowie samstags und sonntags von 12 bis 15 Uhr. Wer an einer Führung teilnehmen möchte, schreibt eine E-Mail an info-pavillon@messe-essen.de. Nähere Infos im Internet: www.messe-essen.de
Wichtige Etappen in der Geschichte der Messe Essen
1913: Private Gesellschafter gründen die Gewerbeschau Essen GmbH. An der heutigen Norbertstraße entsteht eine 5000 Quadratmeter große Ausstellungsfläche. In den 1920er-Jahren wird das Messegelände nach und nach ausgebaut.
1944: Die Messe wird durch Luftangriffe der Alliierten zerstört.
1949: Die erste Messe nach Kriegsende eröffnet. Die „Dach und Fach“ widmet sich dem Wiederaufbau.
1958: Eröffnung der Grugahalle. Die Multifunktionshalle steht auf den Fundamenten der imposanten Halle V von 1927.
1971: Gründung der Messegesellschaft Essen. Bis 1990 wächst die Ausstellungsfläche auf rund 90 000 Quadratmeter.
Messe Essen – ein Blick zurück
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2000: Die Messe eröffnet das Messehaus West, erbaut nach den Plänen des italienischen Stararchitekten Mario Bellini.
19. Januar 2014: Beim Bürgerentscheid kippt die Mehrheit den vom Rat beschlossenen 123 Millionen Euro teuren Neubau. Die Entscheidung fällt denkbar knapp aus. 66 0066 Wahlberechtigte (50,4 %) stimmen für die Aufhebung des Ratsbeschlusses, 65 104 stimmen dagegen. Die Pläne werden daraufhin überarbeitet.
2. Mai 2016: Die Messe feiert den Baustart für die Modernisierung nach einer abgespeckten Planungsvariante. Veranschlagte Kosten: 88,6 Millionen Euro.
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