Essen. . Behörden legen aktuelle Messungen vor. Die Werte des Umweltgiftes PCB liegen in Essen-Kray bis zu 20 Mal so hoch, wie in NRW üblich. Die Quelle ist das Recyclingunternehmen Richter.
In der Krayer Luft befindet sich noch mehr Umweltgift PCB als angenommen: Zum zweiten Mal innerhalb rund eines Jahres weitet die Stadt Essen eine Nichtverzehrempfehlung von selbst angebautem Gemüse – nun auch im weiteren Umfeld des Recyclingbetriebs Richter – aus.
„Wir haben der Stadt Essen vorgeschlagen, die Nichtverzehrempfehlung zu erweitern. Mit so hohen Werten hatten wir zum Teil auch nicht gerechnet“, berichtete am Dienstagabend Expertin Dr. Katja Hombrecher vom Landesamt für Natur, Umweltschutz und Verbraucher NRW (Lanuv) knapp 100 Gästen im Krayer Rathaus. Auf Einladung des Essener Umweltamtes waren Verantwortliche des Lanuv und der Bezirksregierung Düsseldorf gekommen, um über die neuesten Messergebnisse aus u.a. Grünkohlproben zu berichten. Die Werte sind bis zu 20-fach höher im Vergleich zu den in NRW üblichen PCB-Luftbelastungen. Mit der Nichtverzehrempfehlung für das Wohngebiet Schwelmhöfe, der Siedlung Kappertsiepen und der Kleingartenanlage Grimbergstraße nahe des Volksgartens hat sich nun der Bereich, in dem Hobbygärtner nicht mehr selbst angebautes Gemüse wie Mangold, Grünkohl, Salat oder Brokkoli essen sollen, fast verdoppelt.
Stadt: Keine Gesundheitsgefährdung
Die Stadt selbst legt Wert darauf festzustellen, dass keine Gesundheitsgefährdung vorliegt. Aufenthalt im Freien sei unbedenklich, auch für Kinder. Das PCB werde „nur“ zu zehn Prozent über die Luft aufgenommen, hingegen zu 90 Prozent über die Nahrung. Laut Bezirksregierung und Lanuv seien auch andere Messungen – etwa die Bodenproben in Kray – in Ordnung. Kartoffeln, Zwiebeln, Weißkohl, aber auch Obst, das man gut waschen und schälen kann, könnten angebaut und verzehrt werden. Schon vor der neuesten Einschränkung waren rund 1000 Haushalte betroffen, die Stadt will die aktuellen Zahlen in Kürze vorlegen.
Mit den neuesten Messergebnissen bestätigen sich die Aussagen der Bürgerinitiative (BI) gegen „Gift“-Schredder in Kray, die seit knapp 20 Jahren gegen den Schrott-Recycler Richter auf die Straße geht. Die Firma, die im Jahr 1962 als Schrotthändler begonnen hatte, sich mehr und mehr auf Recycling und Kupfergewinnung aus u.a. Elektromotoren konzentrierte und 1994 von der niederländischen van Hout-Gruppe übernommen wurde, betreibt zwei Betriebsgelände mit Schredderanlagen an der Joachimstraße und der Rotthauser Straße. Im Jahr 2001 schossen die gemessenen PBC-Werte buchstäblich in den Himmel, die erste Nichtverzehrempfehlung wurde für die Kleingärtner an der Joachimstraße ausgesprochen.
Seit 2011 steigen PCB-Werte wieder
Was folgte war ein Hin und Her aus Auflagen, Kontrollen, Einsprüchen, daraus folgenden Fristverlängerungen und Gerichtsverhandlungen. In den mittleren 2000er Jahren fielen die PCB-Werte wieder, die auch heute noch u.a. in Grünkohlproben festgestellt werden. Seit 2011 zeigt die Kurve erneut nach oben, aber erst nach Messungen aus 2014 machten die Behörden den Betrieb eindeutig als Quelle aus. Im vergangenen Jahr weitete das Lanuv erneut seine Messpunkte im Stadtteil aus.
Die aktuellen Ergebnisse werden sicher neue Messungen nach sich ziehen. „Es muss geklärt werden, ob die Belastung bis zum Volksgarten reicht. Und wo genau auf den Geländen die Quellen für das PCB zu finden sind“, schaut Dr. Katja Hombrecher voraus. Voraussichtlich im kommenden Herbst will sie eine sogenannte Ausbreitungsrechnung vorlegen, die zumindest die zweite Frage klären soll.
Bürgerinitiative höchst unzufrieden
„Warum wird die Firma nicht geschlossen?“, stellt eine Besucherin genau die Frage, die früher oder später immer fällt. Darauf antwortet Britta Weinhuber-Cordes von der Bezirksregierung Düsseldorf: „Sie hat die nötigen Genehmigungen, und es besteht Bestandsschutz. Außerdem gibt es keine vorgeschriebenen Grenzwerte für PCB, nur ein Minimierungsgebot.“
Die Bürgerinitiative ist höchst unzufrieden. Dietrich Keil: „Es ist nicht hinzunehmen, dass erneut nur Maßnahmen ergriffen werden, die uns Bürger einschränken, nicht aber die Firma Richter, die für die Vergiftung verantwortlich ist!“