Essen. Freispruch für einen Mann, der seine schwangere Frau in den Bauch getreten haben soll. Jetzt droht der Frau die Enttarnung im Zeugenschutzprogramm.

Angeklagt waren zehn Gewalttaten gegen die schwangere Ehefrau. Doch die XVII. Strafkammer sah am Mittwoch nach sechs Prozesstagen keinen Beweis für den Vorwurf der Anklage und sprach einen mehrfach vorbestraften 27 Jahre alten Stoppenberger frei.

„Wir glauben nicht, dass die Frau gelogen hat. Aber es bleiben ernsthafte Zweifel, so dass der Angeklagte freizusprechen war“, fasste Richterin Gabriele Jürgensen zusammen. Objektive Beweise, etwa Verletzungsspuren, fehlten. Jürgensen: „Ein Problem war, dass die Zeugin damals viel unternahm, die Taten zu verschleiern.“ Freispruch hatte auch Verteidiger Wolf Bonn gefordert. Staatsanwältin Franca Bandorski sah dagegen die Schuld des Angeklagten als erwiesen an. Vier Jahre und zehn Monate Haft beantragte sie, allerdings inklusive einer früheren Verurteilung zu zwei Jahren Gefängnis. Nebenklageanwältin Anja Kalka, sie vertrat die Frau, schloss sich an.

Angeklagter sprach von Beziehungsstress

Zwischen September 2011 und September 2012 war es laut Anklage zu den Taten gekommen. Wenn er mit dem Verhalten der heute 26 Jahre alten Frau unzufrieden gewesen sei, soll er sie geohrfeigt oder gewürgt haben. Als sie schwanger war, hätte er ihr Tritte und Fausthiebe in den Bauch versetzt. Einmal soll er sie auch über den Balkon gehalten haben: „Einfach dich und deine kleine Missgeburt runter schmeißen.“ Der Angeklagte hatte bestritten und von Beziehungsstress gesprochen. Er habe sie zwar bedroht und beleidigt, es sei aber nie zu einer Gewalttat gekommen.

Dass die Kammer freisprechen will, hatte die Richterin schon vor den Plädoyers signalisiert. Auch die Vernehmung der 26-Jährigen hatte erkennen lassen, dass die Vorsitzende sich nur schwer vorstellen kann, warum eine Frau immer wieder zu ihrem gewalttätigen Mann zurückkehrt. „Heute kann ich es mir selbst nicht erklären“, hatte die Zeugin eingeräumt und ihre Position als aussichtslos beschrieben: „Er hätte mich auch nie gehen lassen, hätte mich immer gefunden.“

2013 in Zeugenschutzprogramm aufgenommen

Nachdem sie Anzeige erstattet hatte, stufte die Polizei sie als gefährdet ein. Obwohl der Ehemann inhaftiert sei, drohe ihr von seiner Familie Gefahr. Deshalb nahm die Polizei sie und ihr 2013 geborenes Kind in den Zeugenschutz auf, beide bekamen eine neue Identität. Falls der Freispruch rechtskräftig wird, droht aber die Enttarnung der beiden. Bislang hat der Angeklagte kein Umgangsrecht für das Kind, darf es nicht sehen. Mit dem Freispruch im Rücken wird er es leichter haben, vor dem Familiengericht zu gewinnen und sein Kind künftig regelmäßig zu sehen. Es dürfte nicht allzu schwer sein, vom vier Jahre alten Kind den neuen Wohnort und Namen der Mutter zu erfahren.

Dass er, der Beleidigungen zugab, plötzlich zur Gelassenheit neigt, glaubt wohl auch die Kammer nicht. Richterin Jürgensen: „Wir haben ihn hier erlebt. Auch bei kleinen Anlässen fühlte er sich ungerecht behandelt und ging auf den Punkt hoch.“