Essen. Gutachten zum Nahverkehr in Essen. Größere Einsparungen würden durch starke Fahrgastrückgänge und Ertragsverluste wieder „aufgesogen“.

  • Gutachten: Selbst schmerzende Einschnitte können finanzielle Situation nicht nachhaltig verbessern
  • So lautet das Zwischenergebnis der von der Stadt beauftragten Büros
  • Evag würde Kunden verlieren, die auf andere Verkehrsmittel ausweichen

Selbst schmerzende Einschnitte im Nahverkehr können die finanzielle Situation der Evag nicht nachhaltig verbessern, die Verkehrsgesellschaft würde dafür aber viele Fahrgäste verlieren. Zu diesem Zwischenergebnis kommen die von der Stadt beauftragten Büros „NahverkehrsConsult“, Helmert und der Verkehrsexperte Professor Volker Stölting. Sollte das Linienangebot der Evag in der Ruhr-Metropole auf eine „Mindestversorgung“ geschrumpft werden, ließe sich trotzdem nur ein einstelliger Millionenbetrag erzielen, mussten die Vertreter der Stadt und der Politik jüngst im „Lenkungsausschuss ÖPNV“ erfahren. Die „Einsparungen werden nennenswert durch Ertragsverluste wieder aufgesogen“, so Gutachter Mathias Schmechtig.

Und das zu dem Preis, dass die Kunden eine „spürbare geringere Qualität“ hinnehmen müssten und das Liniennetz sich auf die Hauptachsen konzentrieren würde. Auf eine Linienverlängerung für den II. Bauabschnitt Berthold-Beitz-Boulevard würde verzichtet. Die Busse würden in der Hauptverkehrszeit nur alle 15 statt zehn Minuten in die Innenstadt fahren und auf weniger frequentierten Strecken nur alle 60 statt 30 Minuten verkehren. Die Buslinien 167, 173, 174, 176, 162/172 und 193 würden vollständig, andere teilweise eingestellt. Die Straßenbahnen führen mit Ausnahme der 107 dann nur noch im 15-Minuten-Takt. Der Nachtverkehr werde eingeschränkt.

Noch mehr Verspätungen

Der Verzicht auf Beschleunigungsprogramme hätte nicht nur mehr Verspätungen und längere Fahrzeiten zur Folge, sondern auch eine deutliche Erhöhung der Betriebskosten. Unterm Strich könnte „die heutige Nachfrage nicht mehr vollständig abgewickelt werden“, so der Bericht. Die Evag würde Kunden verlieren, die auf andere Verkehrsmittel ausweichen.

Die ersten Reaktionen von den Grünen und den Linken, die die beschriebenen Einsparungen ablehnen: „Das kommt für uns definitiv nicht in Frage“, sagt Ratsherr Rolf Fliß (Grüne). „Die Stadt kann nicht wachsen, wenn wir den Nahverkehr verschlechtern.“ Ähnlich argumentiert Wolfgang Freye (Linke). „Das ist ein vernichtendes und einhelliges Fazit der drei renommierten Gutachter. Damit ist klar, dass in Essen alle Kürzungspläne im ÖPNV beerdigt werden können. Die Schäden wären enorm.“

Den "heutigen Marktanteil" halten

Freye plädiert stattdessen für einen Ausbau, ebenso Fliß, der daran erinnert, dass Essen den Anteil von Bahn und Bus am Gesamtverkehr bis zum Jahre 2030 von derzeit 19 auf 25 Prozent steigern will. Um aber nur einen Prozentpunkt mehr zu erreichen, müsste die Evag im Jahr zusätzlich 8,2 Millionen Fahrgäste bedienen, schreiben die Gutachter, die auch den Fragen nachgingen, wie man den Bus- und Bahnverkehr konsequent ausbauen oder wenigstens die jetzige Qualität (Variante 2) sichern könnte – etwa durch die Sanierung der Spurbusstrecke nach Kray (19 Millionen Euro) oder die Einführung eines 5-Minuten-Taktes auf bestimmten Bahnstrecken. Obwohl die Sachverständigen hier neben Investitionen auch einige Kürzungen vorschlagen, müsse trotzdem das Budget für den Evag-Linienverkehr erhöht werden, um wenigstens den „heutigen Marktanteil“ zu halten. Im Juni legen die Gutachter ihre endgültige wirtschaftliche und verkehrliche Bewertung vor.

„Dann werden wir uns beraten“, sagt Ratsherr Friedhelm Krause für die CDU und prognostiziert zum Einsparungs-Szenario: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass das dann irgendeiner aus einer Partei will.“