Essen. Hauptamtliche Parteimitarbeiter sollen keine Rolle mehr spielen. Sie seien nicht unabhängig und nicht bürgernah genug. Parteispitze sieht das anders.
- 22 SPD-Ortsvereine wollen alle hauptamtlichen Mitarbeiter der SPD von Mitgliedschaft im Unterbezirksvorstand ausschließen
- Antrag der Basis hat eher appellativen Charakter
- Essener Partei- und Fraktionsspitze gegen Ausschluss der„Berufspolitiker“ von der Vorstandsarbeit
Die 22 Essener SPD-Ortsvereine, die derzeit in einer „Zukunftswerkstatt“ intensiv über die Lage und die Perspektiven der Partei diskutieren, wollen alle hauptamtlichen Mitarbeiter der SPD von einer Mitgliedschaft im Essener Unterbezirksvorstand ausschließen. Das geht aus einem Antrag für den Parteitag am 7. Mai hervor, der seit am Donnerstag öffentlich einsehbar ist. Wörtlich heißt es dort: „Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen der Partei, der SPD-Fraktion im Rat der Stadt Essen, der SPD-Fraktionen im Landtag NRW und im Deutschen Bundestag sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Essener Mandatsträger/Mandatsträgerinnen sollen dem Vorstand nicht angehören.“
Die „Soll“-Formulierung deutet an, dass die Basisvertreter selbst wissen, dass ihr Antrag schon aus juristischen Gründen mehr appellativen Charakter hat und kaum eins zu eins umgesetzt werden wird. „Jeder kann beim Parteitag kandidieren und wenn er genügend Stimmen bekommt, ist er eben gewählt – das ist uns schon klar“, sagt SPD-Ratsherr Guido Reil, einer der Initiatoren des Antrags. „Aber wir wollen diese Diskussion jetzt führen, in der Partei, aber auch in der Öffentlichkeit.“
Ausschluss juristisch nicht haltbar
Viele an der SPD-Basis fühlen sich vom Vorstand offensichtlich nicht gut vertreten, wobei Auslöser der parteiinterne Streit um die Flüchtlingskrise war, der zum Rücktritt der Parteivorsitzenden Britta Altenkamp führte. Vorwürfe gingen dahin, dass die Richtung der Partei zu stark von faktischen Berufspolitikern bestimmt werde. Ihnen wurde eine nur geringe Verwurzelung an der Parteibasis und wenig Verständnis für die Sorgen und Erwartungen von SPD-Traditionswählern nachgesagt, zudem könnten sie nicht unabhängig agieren. „Mitarbeiter haben grundsätzlich den Interessen und Weisungen ihrer Arbeitgeber zu folgen und sind daher nicht frei in ihrer Entscheidung“, heißt es in dem Antrag. Fakt ist: Die integrationskritischen Aktionen der SPD-Basis im Norden sind besonders von Essener Mandatsträgern und deren Mitarbeitern sowie von Mitarbeitern der SPD-Landtagsfraktion, die in der Essener SPD Funktionen innehaben, hart kritisiert worden.
Aus der Essener Partei- und Fraktionsspitze war in den letzten Tagen inoffiziell zu hören, dass ein Ausschluss solcher „Berufspolitiker“ von der Vorstandsarbeit weder rechtlich haltbar noch politisch wünschenswert sei. Es handele sich um Genossen, die thematisch in ihren Fachgebieten besonders sattelfest seien. „Warum sollten wir auf sie verzichten?“
"Klassische Wählerklientel hat sich teilweise abgewandt"
Den Basisvertretern scheint das nicht sonderlich wichtig zu sein. Sie hätten es laut Antrag gerne so: „Der geschäftsführende Vorstand sollte sich (künftig) mehrheitlich aus Vertretern/Vertreterinnen der Ortsvereine, der Bezirksvertretungen und der Ratsfraktion zusammensetzen.“ Im Klartext heißt das: Die Rebellen selbst wollen stärker die Politik der Essener Partei bestimmen. Begründet wird das auch mit einer aus ihrer Sicht verfehlten Politik im Bund, die den „sozialen Ausgleich“ vernachlässigt habe. In der Folge sei die SPD bei Wahlen „deklassiert“ worden.
Die SPD stehe vor großen Herausforderungen. „Ihre klassische Wählerklientel bei Arbeitern, Arbeitslosen, Empfängern von Transferleistungen und Angehörigen der unteren Mittelschicht hat sich in den vergangenen Jahren teilweise abgewandt. Das Flüchtlingsproblem und die Sorge um daraus resultierende Verteilungskämpfe verstärken diese Entwicklung.“ Neue Wählerschichten seien kaum gewonnen worden.
In dieser Lage sei es notwendig, die Basis der Partei „direkter zu beteiligen“, heißt es.