Essen. . Zu wenige Türken nehmen eine Ausbildung auf. Die Arbeitsagentur setzt auf die Imame. Doch die müssen das deutsche System erst verstehen lernen.
- Die Arbeitsagentur will mehr türkische Jugendliche in Ausbildung bringen
- Sie setzt dabei auf die Religionsbeauftragten
- Doch diese müssen selbst erst das deutsche System verstehen lernen
Wolfgang Dapprich öffnet die Lehrwerkstätten des Handwerks in der Katzenbruchstraße durchaus häufig für Besucher. Doch solche Gäste wie am Dienstag hatte der Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft wohl noch nie. Rund 20 Imame aus Essen und Mülheim schauten den angehenden Friseuren, Tischlern, Konditoren, Malern und Elektrikern über die Schulter – um zu verstehen, wie das deutsche, duale Ausbildungssystem funktioniert.
Klaus Peters, Chef der Arbeitsagentur, setzt große Hoffnungen in die Religionsbeauftragten der Moscheevereine. Sie sollen helfen, türkische Jugendliche für eine Ausbildung zu begeistern. Denn den etablierten staatlichen Behörden gelingt das nicht gut genug. Zwar waren auch schon Peters Mitarbeiter vor Ort in Moscheen mit Flyern und Infoständen unterwegs. Doch ein durchschlagender Erfolg ist bislang nicht messbar. „Alleine können wir nicht überzeugen, wir brauchen die Unterstützung im familiären und engen Umfeld“, warb er bei den Imamen.
Imame zu Gast beim Handwerk
Es ist ein neuer Weg, den die Arbeitsagentur mit Hilfe des Türkischen Konsulats geht. „Wir müssen alles versuchen, damit die jungen Leute nicht durchs Raster fallen“, sagte Peters. Denn Menschen mit Migrationshintergrund sind auch in Essen von Arbeitslosigkeit überdurchschnittlich betroffen. Vielen fehlt ein Berufsabschluss, was die Vermittlung in einen Job fast unmöglich macht. Knapp 80 Prozent der arbeitslosen Ausländer haben nach der Schule nichts gelernt.
Das treffe auch auf viele Türken zu, obwohl mittlerweile die vierte Gastarbeitergeneration in Essen aufwächst. Viele seien jedoch immer noch geprägt durch die Erfahrungen der Eltern und Großeltern, die das duale deutsche Ausbildungssystem nicht kennen, sagte Sefer Öncel von der NRW-Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit. Er war am Dienstag mit vor Ort und half auch beim Übersetzen. In der Türkei zähle in erster Linie das Studium, wer das nicht schafft, steigt ins Arbeitsleben „learning by doing“ ein. Viele junge Leute wollten nach der Schule schnell Geld verdienen, statt weiter die Schulbank zu drücken. Dass sie damit später ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbauen, muss erstmal in die Köpfe. Und nicht nur in die der Kinder und Jugendlichen, auch in die der Eltern.
Imame mit Wissenslücken und Skepsis
Das sollen die Imame leisten. Doch die haben selbst Wissenslücken, wie das deutsche Bildungssystem funktioniert, räumte Generalkonsul Mustafa Kema Basa ein. Deshalb sei es gut, wenn sie das System vor Ort erleben.
Celil Dindar ist Imam der Fatih Moschee in Katernberg. Er habe bislang über das deutsche Ausbildungssystem nur ein Basiswissen, wolle aber mehr kennen lernen, um dies in seinen Religionsunterricht einzubauen. Dindar gab sich offen, doch andere Imame äußerten auch Skepsis. Mehrfach klang an, dass türkische Jugendliche bei der Bewerbung schlechtere Chancen hätten als Deutsche. „Wir tun nicht so, als ob Vorurteile nicht vorhanden wären, aber dass wir heute hier sind, zeigt doch, dass wir das angehen werden“, sagte Basa.
In den kommenden Wochen solle es weitere Veranstaltungen geben, kündigte der Generalkonsul an. Dann in kleineren Gruppen und auch mit Jugendlichen.