Essen. . Das angespannte weltpolitische Klima geht nicht spurlos an der Tourismusbranche vorbei. Das beobachten auch die Reisebüros in Essen.

„Reisen ist eine emotionale Sache.“ Uwe Wenglikowski muss es wissen. Er arbeitet seit 1982 in der Tourismusbranche. Er weiß auch, dass sich in Zeiten politischer Krisen das Reiseverhalten der Menschen verändert. „Wir bemerken derzeit eine Verschiebung zum westlichen Mittelmeerraum.“ Ein Grund dafür sei auch die aktuelle Flüchtlingsdebatte.

Denn die griechischen Inseln Lesbos und Kos, besonders letztere ein beliebtes Urlaubsziel, sind für viele Flüchtlinge zentrale Knotenpunkte auf der Flucht nach Mitteleuropa. Ein weiterer – und für den 52-Jährigen Geschäftsführer von Kozica Reisen in Essen-Katernberg ein ausschlaggebender Grund – sind die Terroranschläge in beliebten Reiseländern wie Tunesien oder der Türkei.

„Türkei fast gar nicht mehr gebucht“

Ähnlich sieht das auch Pia Berns vom First Reisebüro in Rüttenscheid. „Seit dem Anschlag in Istanbul vor ein paar Wochen wird die Türkei fast gar nicht mehr gebucht.“ Dass die Flüchtlingskrise das Reiseverhalten der Essener beeinflusst, stellt auch sie mitunter fest. „Wenn ich als mögliches Ziel Griechenland vorschlage, kommt es vor, dass die Kunden die Inseln Kos und Lesbos mit dem Hinweis auf die Flüchtlingskrise direkt ablehnen“, so die 25-Jährige.

Serbien und Ungarn, beides Länder, die direkt an der sogenannten „Balkanroute“ nach Deutschland liegen, würden aktuell gar nicht mehr gebucht, so Pia Berns. Hier sei aber auch vorher die Nachfrage gering gewesen, erklärt die Reiseverkehrskauffrau. Generell habe es im Februar weniger Buchungen als im Januar gegeben.

Einbußen im Pauschaltourismus

Einen Rückgang im Segment des Pauschaltourismus beobachtet auch Siegbert Luke, Inhaber von Lucky Luke Tours im Nordviertel. „Besonders die Türkei als Urlaubsziel erlebt momentan einen starken Buchungsrückgang. Dabei muss man sagen, dass das Land ein tolles Ziel ist und ein super Preis-Leistungs-Verhältnis bietet.“

Um trotzdem weiter Kunden ins Land zu holen, locken die Veranstalter teils mit extrem günstigen Preisen. Einen einwöchigen All-Inclusive-Urlaub im türkischen Fünf-Sterne-Ressort kann der geneigte Essener in der Sommersaison 2016 teilweise schon für weniger als 300 Euro genießen. Ähnlich die Situation für Reiseziele wie Tunesien und Ägypten.

Alternativen wie Spanien und Portugal deutlich teurer

Dass derart günstige Konditionen letztendlich doch den Ausschlag geben, weiß auch Siegbert Luke. „Alternativen wie Spanien und Portugal sind deutlich teurer“, betont der 58-Jährige, der seit 32 Jahren in der Tourismusbranche tätig ist. Griechenland werde indes nicht pauschal gemieden, Ziele wie Kreta und Rhodos erleben seiner Einschätzung nach durchaus einen Aufschwung.

Diese Entwicklung hat auch Vanessa Przybylski vom Sonnenklar TV Reisebüro im Einkaufszentrum Limbecker Platz teilweise beobachtet. „Das griechische Festland ist nach wie vor gefragt, Inseln hingegen werden gemieden“, weiß die 21-Jährige.

Diese Tendenzen bestätigt auch Uwe Wenglikowski, der seit 34 Jahren in der Tourismusbranche tätig ist. Für ihn habe sich allerdings auch das Verhalten der Kunden im Laufe der Jahre verändert. Nach dem Attentat in Istanbul im Januar sei die Stadt einige Tage lang bei Reisebuchungen gemieden worden, gegen Ende des Monats habe sich das wieder normalisiert, konstatiert Wenglikowski. „Die Leute vergessen immer schneller.“