Essen. . Martin Puttke hat das Essener Ballett geprägt. Am Samstag erhält der renommierte Tanzpädagoge und langjährige Ballett-Chef den Deutschen Tanzpreis.

  • 72-Jähriger ist bis heute regelmäßig an der Ballettstange anzutreffen
  • Er prägte das Essener Ballett maßgeblich
  • Bis heute trägt er seine Forschung über den Tanz in die Welt

Als Martin Puttke 2008 von seinem Amt als Ballet-Chef in Essen Abschied genommen hat, um sich noch einmal ganz seiner großen Leidenschaft, der Tanz-Pädagogik zu widmen, da war das gewiss keine Entscheidung, den Tanz nun als Schreibtisch-Angelegenheit, als reine Forschungs-Materie zu betrachten. Im Gegenteil. Man trifft den international renommierten Tanzpädagogen Puttke bis heute regelmäßig an der Ballettstange, wo er in Seminaren sein revolutionäres Dance Native Motion System vermittelt.

„Ich habe einfach gute Gene“, lacht der vitale 72-Jährige, der heute in Berlin lebt. Am Wochenende kommt er zurück nach Essen, um den Deutschen Tanzpreis entgegen zu nehmen. „Eine Bestätigung meiner Ziele“, freut sich Puttke über die Auszeichnung und nennt den Preis „eine Brücke vom Gestern ins Morgen“.

Gestörtes Verhältnis zur Klassik in Deutschland

Das Gestern war die „tolle und produktivste Zeit“ als Direktor der Essener Compagnie. Das Morgen beginnt für ihn an jedem Tag neu – mit der Erforschung des Spannungsfeldes zwischen klassischem und modernen Tanz“. Das Thema ist seine große Mission, schon in Essen erwuchsen daraus grandiose Arbeiten. Und als Puttke 2008 sein Amt nach 13 Jahren aufgab, da gab es für viele Tanzfreunde gute Gründe, den in Breslau geborenen, in Dortmund groß gewordenen Tanzexperten im Ruhrgebiet halten zu wollen.

Die Auslastungszahlen waren blendend, die Kritik begeistert. Das Aalto-Ballett galt als Zentrum der jungen Choreografie, denn Puttke, der ausgebildete Pädagoge und Tänzer, brachte viele unterschiedliche Gäste und Handschriften nach Essen. Mit Abenden von Boris Eifmans „Die Brüder Karamasow“ bis zu Mario Schröders legendärer Pink Floyd-Adaption „The Wall“ sorgte die kleine 24-köpfige Compagnie für Aufsehen. Die Tanzwelt sprach über Essen. Und Puttke sprach über den Tanz. Das tut er bis heute mit Verve. Denn das „gestörte Verhältnis zur Klassik“ hat sich seiner Meinung nach „in Deutschland weiter verschlechtert“.

„Wiederentdeckung des menschlichen Körpers im Klassischen Tanz“

Traurig für jemanden, der doch seit Jahrzehnten dafür geworben hat, dass das eine nicht ohne das andere funktioniert, der zeitgemäße Ausdruck nicht ohne die hohe Schule des klassischen Balletts. Und wenn man bei den Tänzern den Prozess der Einfühlung zuließe statt Bewegungen einfach nur akkurat nachtanzen zu lassen, dann sei „Giselle“ doch bis heute ein zeitgenössisches Produkt, findet Puttke.

Die „Wiederentdeckung des menschlichen Körpers im Klassischen Tanz“ ist deshalb sein Thema in Seminaren. Und beinahe hätte er sein Lebensthema auch noch einmal richtig verschulen können. Die Verträge mit einer neuen Tanzhochschule in St. Petersburg waren schon fast unterschrieben. Aber als man ihm schließlich den Stundenplan vorgelegt hat, da hat Puttke doch abgesagt. „In diesem dichten Geflecht gab es einfach keine Möglichkeit, meine Fächer einzubringen.“ Und in den Kampf gegen die russische Kulturbürokratie zu ziehen, sah Puttke auch nicht mehr als seine Aufgabe. Auch wenn es ihm durchaus zu eigen ist, „immer wieder gegen Widerstände“ anzukämpfen. Schon mit dem Entschluss, als 18-Jähriger noch eine Tänzerausbildung zu beginnen und kurz vor dem Bau der Mauer an die Staatliche Ballettschule in Ostberlin zu gehen, hat er ja westfälische Dickschädeligkeit bewiesen. Genauso konsequent irgendwann die Entscheidung, dass es für die eigene große Tänzer-Karriere nicht reicht.

Die Lust, seine Haltung, sein Wissen, seine Forschung über den Tanz in die Welt zu tragen, aber ist bis heute groß. Dafür wird er am Samstag im Aalto-Theater gefeiert. Ehemalige Schüler wie Oliver Matz werden kommen und gratulieren. Viele seiner ehemaligen Tänzer haben an den großen, internationalen Häusern Karriere gemacht. Sie alle verneigen sich vor einem großen Ballettpädagogen.