Essen. „Alles ist erleuchtet“ feiert in der Casa des Schauspiels Essen Premiere. Thomas Ladwig und Jana Zipse haben den Erfolgsroman für die Bühne adaptiert.
Das Vorhaben ist wie immer groß, aber seit Romanadaptionen auf deutschen Bühnen nicht mehr wegzudenken sind, scheint kein literarischer Gipfel unbezwingbar. Dostojewskis „Schuld und Sühne“, Döblins „Berlin Alexanderplatz“ oder Thomas Manns „Die Buddenbrooks“ haben es schon als Konzentrat auf die Bühnen geschafft. In Essen hat sich Regisseur Thomas Ladwig nun über Jonathan Safran Foers Debütroman „Alles ist erleuchtet“ gebeugt und die Herausforderung angenommen, diese komplexe Geschichte, die auf drei Ebenen zwischen den Vereinigten Staaten und dem ukrainischen Schtetl Trachimbrod spielt, die vom Genozid an den jüdischen Dorfbewohnern erzählt und gleichzeitig mit ungeheurer Fabulierlust eine verschwundene Welt wieder neu erfindet, auf einen Zwei-Stunden-Abend zu bringen. Am 19. April hat das Stück Premiere in der Casa.
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Noch gleicht die Arbeit an der Inszenierung einem komplexen Puzzle und einem permanenten Trennungsprozess. „Man lernt, dass man sich von Sachen verabschieden muss“, sagt Ladwig. Von Sammy Davis jr beispielsweise, dem schrägen Köter auf dem Rücksitz des klapprigen Gefährts, in dem die Geschichte Fahrt aufnimmt. Von so vielen schönen Sätzen, absurden Situationen und skurrilem Sprachwitz, die man eben nur auf 400 Seiten ausbreiten kann. Und trotzdem will Ladwig, der die Bühnenfassung zusammen mit Dramaturgin Jana Zipse erarbeitet hat, beim Schreiben nicht schon daran denken, wie man das als Regisseur denn bittschön später in Szene setzen könnte. „Sonst hätte ich ja beim Schreiben schon die Schere im Kopf.“
Restkarten für die Premiere erhältlich
Immerhin, der Roman, der 2005 bereits von Liev Schreiber verfilmt wurde, arbeitet mit klaren Filmschnitten. Gut fürs Kino, schwierig fürs Theater, wo man nicht mit einem Kameraschwenk Kulissen, Kostüme, Zeitebenen wechseln kann. Und so wird ein Einheitsraum mit zwei Schreibtischen Ausgangspunkt dieser prallen Erzählung mit ihren vielen erzählerischen Abzweigungen sein. Schließlich ist der Roman auch die Geschichte einer großen Schreibfreundschaft. Da ist Jonathan, der amerikanische Jude, der in die Ukraine nach Augustine und den Wurzeln seiner Herkunft sucht und noch ein Stück Familiengeschichte dazuerfindet. Und da ist sein Reiseleiter, der amerikabegeisterte Ukrainer Alex, der Jonathan nach dessen Rückkehr in die Vereinigten Staaten eifrig Briefe schreibt und einen Roman im Roman gleich mit.
All die eigenwilligen Figuren und Archetypen, die ihnen auf dieser Tour begegnen, werden in Essen auf fünf Schauspieler verteilt, die in rascher Folge ihre Rollen wechseln müssen, von der schönen Zigeunerin in eine Greisin, vom väterlichen Wucherer zum scheinblinden Großvater. Der Part des Erzählers wird dabei unter den Mimen immer wieder neu verteilt, erklärt Ladwig, so dass am Ende eine packende, polyphone Komposition aus Gestern und Heute, aus Visualisierung und Vorstellungskraft stehen könnte. Und vielleicht ist Theater selten so spannend wie an so einem Abend, wo der Bühnenapparat mit wenigen Mitteln einen neuen, phantastischen Kosmos erschaffen kann.
Für die Premiere am 19. April gibt es noch Restkarten. Weitere Termine: 27. April, 3., 12., 22. Mai. Die Vorstellung am 12. Mai wird in Gebärdensprache übersetzt. Karten unter 8122 200. Die vielen verschiedenen Figuren des Typen-reichen Roman-Kosmos’ werden von Nico Link, Jan Pröhl, Janina Sachau, Rezo Tschchikwischwili und Jens Winterstein übernommen.