Essen. Michelle Yamamoto beendet mit 36 Jahren ihre Karriere als Tänzerin im Aalto-Ballett in Essen. Sie hofft nun auf eine Zukunft im pädagogischen Bereich.
„Auch wenn ich wieder bei null anfangen muss, ich würde alles noch einmal genauso machen“, sagt Michelle Yamamoto. Sie sagt es ohne Rührung. Dabei fordert der Anlass Tränen heraus: Mit 36 Jahren beendet sie ihren Weg als Tänzerin. Früher oder später ein unausweichlicher Umstand, denn jeder Auftritt geht auf die Knochen. Fast zehn Jahre gehörte sie zum Aalto-Ballett und zeigte ihre schöpferische Kraft auch mit eigenen Choreografien. Zum Abschied verkörperte sie die Göttin Athene in der „Odyssee“. „Ich wusste, dass die Karriere kurz ist. Das Herz hofft trotzdem, dass es nicht so schnell vorbei geht“, meint die gebürtige Brasilianerin mit den japanischen Wurzeln.
Tänzerin wollte sie immer schon werden. Doch nicht Samba, Ballett begeisterte sie als Vierjährige. Mit 300 anderen Kindern besuchte sie eine private Ballettschule und ihr Ehrgeiz wuchs mit dem Alter. In Antwerpen tanzte sie vor, wurde abgelehnt, arbeitete noch härter an sich und landete als Gewinnerin eines Wettbewerbs mit einem Stipendium an der Palucca-Hochschule in Dresden. Statt vier Jahre Ausbildung standen ihr zwei zur Verfügung. „Es war eine schwere Zeit, aber meine Lehrer haben an mich geglaubt“, erzählt Michelle Yamamoto. „Du hast Ausstrahlung, du hast eine Chance, sagten sie.“
Neuen Herausforderungen gestellt
Gewappnet für klassischen und modernen Tanz und mit 23 nicht ganz jung, erhielt sie in Kiel bei Mario Schröder ihr erstes Engagement. Uraufführungen seiner Werke „Requie M“, „Guten Morgen, du Schöne, du mein Leben“, „Wesendoncklieder“ oder „The Wall“ zur Musik von Pink Floyd tanzte sie. „Ich lernte, mit dem Tanz an meine Grenzen zu gehen“, so die zart anmutende Frau. Und sie lernte Denis Untila kennen. Der moldawische Tänzer wurde zur Liebe ihres Lebens, zum kreativen Partner und Vater ihrer Kinder. 2006 übernahm Martin Puttke beide nach Essen und Ballettchef Ben Van Cauwenbergh verlängerte kurz darauf ihre Verträge.
Der Einsatz bei Jiri Kyliáns „Petite Mort“ in „Zeitblicke“ beglückte Michelle Yamamoto ebenso wie der bei „Solitaire“, „Schwanensee“, „Coppelia“ oder „Decadance“. Ob solistisch oder in der Gruppe - „ich habe mich in Essen wohlgefühlt“, betont sie. Was auch daran lag, dass sie sich stets neuen Aufgaben stellte. 2008 zeigte sie mit „Maquete“ ihre erste eigene Choreografie, gemeinsam mit ihrem Mann kreierte sie „Alice“ und schließlich den abendfüllenden „Othello“: „Das war die größere Herausforderung als das Tanzen. Da habe ich mehr geschwitzt.“
Eltern aus Brasilien angereist
Eine Zukunft im pädagogischen Bereich stellt Michelle Yamamoto sich vor und hofft bei der Weiterbildung auf Rat des Transition Zentrums der Stiftung Tanz und Tat der Arbeitsagentur. Um ihr Seelenheil kümmert sich die Familie. „Sie macht es mir leichter“, sagt sie. Zur Abschiedsvorstellung reisten sogar die Eltern aus Brasilien an. „Es war sehr schön und sehr emotional. Bei der letzten Verbeugung habe ich dann doch geweint.“