Essen. Frank Lothar Lange ist der dienstälteste Fotograf der Bravo. Von Nena bis Taylor Swift lichtet er die Popstars jeder Generation ab.

  • Fotograf von der Margarethenhöhe lichtete viele Jugendidole ab
  • Nena, Mark Oh, Bruno Mars, Usher - jede Generation hatte ihre Galionsfigur
  • Dafür war Lange manchmal 200 Tage im Jahr nicht zuhause bei seiner Familie

„Das Leben, das ich gelebt habe“, sagt Frank Lothar Lange mit kratziger Raucherstimme, „würde ich heute nicht mehr wählen. Zumindest nicht in dieser extremen Form.“ Für Generationen von Teenagern wurden seine Bilder zum Sehnsuchtsmotiv im Starschnittformat. Wie nur wenige hat der dienstälteste Fotograf des Jugendmagazins Bravo die glitzernde und kaputte Welt des Showgeschäfts erlebt; drohte zeitweise selbst darin zu versinken. „Ohne meine Familie und mein Zuhause auf der Margarethenhöhe“, sagt der 57-Jährige, „wäre ich längst verloren.“ Seit den Achtzigern hält Lange jede Jugendströmung und ihre Galionsfiguren fest: Zierte sein erstes verkauftes Foto noch Nena, lichtet Lange heute Youtube-Stars wie Dagi Bee ab.

Damals noch recht unbekannt: Guns’n’Roses 1987 im Tor3, Düsseldorf.
Damals noch recht unbekannt: Guns’n’Roses 1987 im Tor3, Düsseldorf. © Frank Lothar Lange

Dabei beginnt seine Karriere mit einem Dämpfer. Er habe noch nie so schlechte Bilder gesehen, bekommt Lange damals vom zuständigen Art-Director einer Agentur in Düsseldorf zu hören, als er ihm seine Bewerbungsmappe präsentiert. Ein Jahr investiert der Essener anschließend, um besser zu werden, wird 1983 an der Fachhochschule in Dortmund angenommen. Ausgerechnet Pan Walther soll sein Lehrmeister werden, eine Art Klaus Kinski der Fotografie: „Er war genial, seine Vorlesungen aber bizarr, oft frauenfeindlich und verstörend. Es konnte vorkommen, dass er mit einem roten Filzstift die Bilder seiner Studenten im Sekundenbruchteil zerstörte“, erinnert sich Lange.

Fotos im WWF-Club

Er jobbt damals als Assistent in einem Fotostudio an der Saarbrücker Straße, lernt dort Fryderyk Gabowicz kennen. Der Musikfotograf arbeitet für die Bravo und soll zum wahren Mentor Langes avancieren, indem er ihm manche Tür öffnet. Zum Beispiel zum WWF-Club oder zu Bananas: Jenen beiden Musiksendungen des deutschen Fernsehens, an denen kein Teenager der Achtziger Jahre vorbeikommt – ganz gleich ob Popper, Rocker oder Punk. Lange hat schon damals ein Gespür für Talente. So fotografiert er die erst 17-jährige Whitney Houston ebenso wie Phil Colins, der zu dieser Zeit schon längst auf dem Weg zum Superstar ist.

Kaum eine Musik- oder Jugendströmung, die Lange nicht auf Fotopapier bannt. 1987 erhält er den Auftrag der Bravo-Fotochefin, zwei Newcomerbands zu fotografieren. „Die eine Band hieß REM. Ich entschied mich aber für Guns’n’Roses, von denen ich noch nichts gehört hatte. Die haben damals im Tor 3 in Düsseldorf gespielt. Axl Rose war schon vor der Show völlig fertig, ein Roadie trug ihn huckepack bis zur Bühne. Dort hat er trotz des Drogen- und Alkohol-Cocktails einfach funktioniert“, erinnert sich Lange.

Von der Raveszene bis zum R’n’B-Hype

Er macht sich immer mehr einen Ruf bei dem Jugendmagazin aus München, erhält viele Aufträge: Europe in London. Roxette in Schweden. Culture Beat in Japan. Später dann Neunziger-Ikonen wie Mark’Oh in Las Vegas oder Blümchen in Tokio. „In den Neunzigern war die Rave-Szene ein großes Thema. Erst wurde ich von den Kollegen belächelt, als ich zur Mayday oder Loveparade gefahren bin. Das sei keine Musik, wurde mir gesagt. Wenig später war es das nächste große Ding“, sagt Lange. Auch den R’n’B-Hype erlebt der Essener hautnah mit. Er fotografiert Rihanna, da ist sie gerade einmal 15 Jahre alt. An seinem legendären Porträt von Usher kauft das Management des Sängers alle Rechte. Seine Aufnahme von Nelly Furtado ziert ihr 2010 erschienenes Best-Of-Album.

Lange beherrscht sein Handwerk auch deswegen so gut, weil er schnell Vertrauen weckt. „Du muss Bilder bringen, die der Protagonist nicht machen will. Die Kunst ist es, ihn davon zu überzeugen. So ist ein Schnappschuss von Karl Lagerfeld gelungen, wie er in eine Bratwurst beißt“, sagt Lange und lacht. Zu einigen Künstlern baut er eine besondere Beziehung auf. Scooter-Frontmann H.P. Baxxter wird gar ein Freund der Familie, „wir haben schon Silvester gefeiert“, sagt Frank Lothar Lange. Die Jungs von Tokio Hotel lernt er noch vor ihrem monsunartigen Durchbruch kennen. Auch die Musiker von Rammstein schätzen Lange, fast alle Fotografien in ihrem Bildband sind von ihm. Sie schenken ihm als Dankeschön ihre Platin-Platte, auch Goldene Schallplatten zieren Langes Wohnzimmer.

200 Tage im Jahr unterwegs

Auch Grammy-Abräumerin Taylor Swift hatte Lange bereits vor der Linse.
Auch Grammy-Abräumerin Taylor Swift hatte Lange bereits vor der Linse. © Frank Lothar Lange

Gleichzeitig fordert der Beruf jede Menge Tribut. Zeitweise ist Lange 200 Tage im Jahr unterwegs, sieht seine Frau Silvie und die Zwillingssöhne kaum. 1988 hat er seine Traumfrau geheiratet, die Ehe hält bis heute. „Silvie ist mein Fels, ohne sie hätte das alles nicht funktioniert“, sagt Lange, der sich bewusst gegen einen Umzug nach München entschied. „Das Geschäft war früher viel verrückter. Da wurde selbstverständlich Erste Klasse gebucht und am Flughafen stand eine Limousine bereit. Nach Hause zu kommen und vom Nachbarn wegen nicht rausgestellter Mülltonnen ermahnt zu werden; das tat gut, um nicht völlig die Bodenhaftung zu verlieren“, sagt er.

30 Jahre für die Bravo

So porträtierte sich der renommierte Bravo-Fotorgaf, der mit seiner Familie auf der Margarethenhöhe lebt, einmal selbst.
So porträtierte sich der renommierte Bravo-Fotorgaf, der mit seiner Familie auf der Margarethenhöhe lebt, einmal selbst. © Frank Lothar Lange
Frank Lothar Lange mit der Goldenen Schallplatte, die ihm Roxette als Dankeschön schenkte.
Frank Lothar Lange mit der Goldenen Schallplatte, die ihm Roxette als Dankeschön schenkte. © Knut Vahlensieck
Lange fotografierte auch einige der diesjährigen Grammy-Abräumer: Darunter Sängerin Taylor Swift...
Lange fotografierte auch einige der diesjährigen Grammy-Abräumer: Darunter Sängerin Taylor Swift... © Frank Lothar Lange
...und Sänger Bruno Mars, hier bei einem Shooting 2010 in Hamburg.
...und Sänger Bruno Mars, hier bei einem Shooting 2010 in Hamburg. © Frank Lothar Lange
Mars wurde am Montag mit dem Grammy für die beste Aufnahme ausgezeichnet.
Mars wurde am Montag mit dem Grammy für die beste Aufnahme ausgezeichnet. © Frank Lothar Lange
Auch Rihanna hatte er gleich mehrfach vor der Linse - hier ganz zu Beginn ihrer Karriere.
Auch Rihanna hatte er gleich mehrfach vor der Linse - hier ganz zu Beginn ihrer Karriere. © Frank Lothar Lange
Als dieses Bild 2005 in Berlin entstand, war die Sängerin erst 15.
Als dieses Bild 2005 in Berlin entstand, war die Sängerin erst 15. © Frank Lothar Lange
H.P. Baxxter von Scooter ist mittlerweile ein Freund der Familie,
H.P. Baxxter von Scooter ist mittlerweile ein Freund der Familie, "wir haben zusammen Silvester gefeiert", sagt Frank Lothar Lange. © Frank Lothar Lange
Auch zu den Musikern von Rammstein hat der Fotograf einen guten Draht. In ihrem Bildband sind fast ausschließlich Fotos von ihm zu sehen. Als Dankeschön schenkte Rammstein ihm die Platin-Platte.
Auch zu den Musikern von Rammstein hat der Fotograf einen guten Draht. In ihrem Bildband sind fast ausschließlich Fotos von ihm zu sehen. Als Dankeschön schenkte Rammstein ihm die Platin-Platte. © Frank Lothar Lange
So lichtete Lange Superstar Lady Gaga - die bei den Grammys mit ihrem David Bowey-Medley für Furore sorgte -2009 in Köln ab.
So lichtete Lange Superstar Lady Gaga - die bei den Grammys mit ihrem David Bowey-Medley für Furore sorgte -2009 in Köln ab. © Frank Lothar Lange
Als dieses Bild von Guns'n'Roses 1987 im Tor 3 in Düsseldorf entstand, war die Band noch recht unbekannt.
Als dieses Bild von Guns'n'Roses 1987 im Tor 3 in Düsseldorf entstand, war die Band noch recht unbekannt. © Frank Lothar Lange
"Axl Rose war schon vor der Show völlig fertig, ein Roadie trug ihn huckepack bis zur Bühne. Dort hat er trotz des Drogen- und Alkohol-Cocktails einfach funktioniert“, erinnert sich Lange. © Frank Lothar Lange
Porträt einer Essener Größe: Karikaturist Thomas Plaßmann.
Porträt einer Essener Größe: Karikaturist Thomas Plaßmann. © Frank Lothar Lange
Model Nici inszenierte der Fotograf in Schwarz-Weiß.
Model Nici inszenierte der Fotograf in Schwarz-Weiß. © Frank Lothar Lange
Aufnahme aus Langes Anfangstagen: Yoko Ono hatte Lange 1985 in Köln vor der Linse.
Aufnahme aus Langes Anfangstagen: Yoko Ono hatte Lange 1985 in Köln vor der Linse. © Frank Lothar Lange
Auch mit Rapper Sido arbeitete Lange häufig zusammen.
Auch mit Rapper Sido arbeitete Lange häufig zusammen. © Frank Lothar Lange
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Heute ist der 57-Jährige ruhiger geworden: Er fotografiert im Schnitt noch einmal im Monat für die Bravo, engagiert sich für den Erhalt der Landschaftsschutzgebiete in Haarzopf, bewegt sich viel, rührt keinen Tropfen Alkohol an. „Viele meiner Kollegen von früher“, sagt Lange und seine Stimme verliert zum ersten Mal den Enthusiasmus, „sind gestorben. Ich passe jetzt auf mich auf. Ich fühle mich nicht so, aber ich bin nicht mehr der Jüngste.“

Zurzeit zeigt das Kabü, Annastraße 51, Essen-Rüttenscheid, in einer Ausstellung einige Bilder von Frank Lothar Lange.