Essen. . Aus Furcht vor Sturmtief „Ruzica“. Entscheidung über den großen Essener Rosenmontagszug fällt erst am Montag um 7 Uhr.

Wenige Augenblicke nach der Absage des 144. Kupferdreher Rosenmontagszuges kleidet Norbert Tüffers seinen Frust in ehrliche Worte. „Wir möchten heulen vor Wut“, sagt der Vorsitzende des Festausschusses Kupferdreher Karneval. Zum ersten Mal seit 25 Jahren muss der traditionelle Umzug wegen eines gefährlichen Sturmtiefs abgesagt werden. „Wir wollen kein Risiko eingehen, das wäre Wahnsinn“, begründet Tüffers die Absage.

Sturmtief „Ruzica“ stellt die Verantwortlichen des Essener Karnevals vor eine harte Prüfung. Das Festkomitee Essener Karneval (FEK), Veranstalter des großen Rosenmontagszuges in Rüttenscheid (eigentlicher Beginn: 13.11 Uhr), hat seine Entscheidung auf Montagmorgen 7 Uhr vertagt. „Wir wollen nicht zu früh absagen und hoffen natürlich darauf, dass sich der Sturm doch noch legt“, sagt FEK-Chef Volker Sassen dieser Zeitung. Die Essener Karnevalisten marschieren übrigens im Gleichschritt mit ihren Kollegen aus Düsseldorf, die sich ebenfalls auf Montagfrüh vertagt haben.

Letztes Wort liegt beim Veranstalter

Lange Gesichter zieht nicht nur das Prinzenpaar André I. und Assindia Carolina I., auch das riesige Heer an Helfern und Aktiven in den Gesellschaften – von den Wagenbauern bis zu den Garden – schaut mit bangen Blicken auf den Wetterbericht. „Alles ist fertig, die Wagen stehen abfahrbereit in der Wagenbauerhalle in Bergerhausen mit tonnenweise Wurfmaterial an Bord“, fügt Volker Sassen zerknirscht hinzu. Das Sicherheitskonzept der Karnevalisten sieht bei Umzügen Windstärke 8 als kritische Marke an. Ein Wert, den Sturmtief „Ruzica“ (auf Deutsch: das „Röschen“) wohl glatt reißen wird. „Montagnachmittag rechnen wir mit Windstärken von 9 bis 10“, sagt Medien-Meteorologe Christoph Hartmann vom Deutschen Wetterdienst in Essen. „10“ – das bedeute Windgeschwindigkeiten von bis zu 102 Kilometern pro Stunde. Hinzu kämen kräftige Regenschauer am Nachmittag. So heftig und ungemütlich, dass der Meteorologe diese scherzhafte Empfehlung hinterherschickt: „Das Beste ist, sich gleich als Regenschirm zu verkleiden.“

Feiern oder Absagen? Diese kniffelige Frage wälzten Sonntagmittag drei Dutzend Experten beim Krisengespräch in der Hauptfeuerwache: darunter die Offiziellen des Essener Karnevals, Polizei und Rettungsdienste, Feuerwehr und Ämter der Stadt. Das Reglement: Die Behörden sprechen eine Empfehlung aus, das letzte Wort liegt beim Veranstalter, spricht bei den Karnevalisten. Festkomitee-Vorsitzender Volker Sassen betont: „Die Sicherheit genießt ganz klar oberste Priorität.“

Den Spaß nicht verderben lassen

Während sie beim Festkomitee noch zittern und weiter bangen, ziehen die Kupferdreher – nach dem Motto „Lieber ein Ende mit Schrecken als umgekehrt“ – beherzt die Reißleine. Wohl aus gutem Grunde. „Wir legen montags traditionell um 16.11 Uhr los, genau dann soll der Sturm am heftigsten sein“, sagt Norbert Tüffers. Den Spaß wollen sich die Kupferdreher Karnevalisten trotzdem nicht verderben lassen. „Die gute Nachricht lautet: Wir verschieben den Umzug auf den 13. März ebenfalls 16.11 Uhr.“ Weil sich das Spektakel unmittelbar vor Frühlingsanfang dann nicht mehr Rosenmontagszug nennen darf, sprechen sie von einem „Festumzug“. Tüffers: „Wir klonen den Umzug einfach.“

Es ist nicht das erste Mal, das der Rosenmontag in Essen ins Wasser fällt. Schon 1991 wurden die Essener Rosenmontagszüge vom Winde verweht. Und im Jahr davor durfte das närrische Volk ebenfalls nicht auf die Straße gehen – diesmal aber nicht aus meteorologischen, sondern aus ethisch-politischen Gründen: Im Nahen Osten tobte der Golfkrieg, folglich hielt man das zeitgleiche Nebeneinander von Sterben und Feiern für höchst unpassend.

In Kupferdreh werden sie die Hände am stürmischen Montag nicht ausgelassen zum Himmel werfen – aber auch nicht betrübt in den Schoß legen. Halb trotzig, halb augenzwinkernd sagt Norbert Tüffers: „Wir werden in die Markthalle, unser Vereinslokal, gehen und ein Trauerbier trinken.“