Essen. Philipp Stölzl hat schon Videos für Madonna gedreht und mit Weltstars wie Ben Kingsley Kino gemacht. Jetzt zeigt er im Aalto-Theater seinen „Faust“
Philipp Stölzl dürfte vermutlich der einzige Opern-Regisseur sein, in dessen Vita man nicht zuerst auf Namen wie Netrebko oder Garanca stößt, sondern auf: Madonna! Vor Jahren hat die Pop-Queen den Deutschen für ihr „American Pie“-Video engagiert und seitdem gilt der gelernte Bühnenbildner und Musikvideo-Pionier als gefragtes Multitalent, der großes Blockbuster-Kino kann („Der Medicus“) und Salzburger Festspiele („Benvenuto Cellini“).
Sein „Faust“, der am Samstag am Aalto-Theater Premiere feiert, gehört zu den viel gefragten Arbeiten des Berliners. 2008 in Basel herausgebracht, erlebt die Produktion nach der Deutschen Oper Berlin in Essen nun ihre dritte Blüte. Für Stölzl ist die Inszenierung „mit jeder Neubesetzung immer auch ein neues Stück“, eine Produktion, die an jedem Haus eine Metamorphose erlebt. Für jemanden, der vom Film kommt, sei die Besetzung eben „unfassbar wichtig“, in der Oper werde dieses Element manchmal unterschätzt, findet Stölzl. Trotzdem hat er sich zur Gewohnheit gemacht, die Wiederaufnahmen seinen Assistenten zu überlassen und wie ein Dramaturg darauf zu schauen: Was funktioniert, was funktioniert nicht?
Erst Faust, dann Winnetou
„Man muss auch loslassen können“, sagt der 48-jährige Sohn des ehemaligen Berliner Kultursenators Christoph Stölzl. Der Terminkalender ist eh rappelvoll. Vor kurzem erst hat er den neuen großen TV-Weihnachtsdreiteiler abgedreht: „Winnetou“. Irgendwie hat er es mit Pferden und weiten Landschaften. Die Noah Gordon-Großverfilmung „Der Medicus“ hat ihn mit Weltstars wie Ben Kingsley in die marokkanische Wüste geführt, Benno Führmann rang für ihn in „Nordwand“ mit Eis und Schnee.
Abdellah Lasri als „Faust“
Seine Essener Premiere feiert der „Faust“ am 30. Januar, 19 Uhr. Weitere Vorstellungen: 4., 7., 13., 17., 19., 21. Februar. Karten unter 8122-200.
Den „Faust“ singt Aalto-Bühnenpreisträger Abdellah Lasri, die Marguerite übernimmt Ensemblemitglied Jessica Muirhead, als Mephistopheles erlebt man Alexander Vinogradov.
In der Oper, weiß Stölzl, kann man die Sänger vor dem Hohen C nicht sechs Leitern steigen lassen“. Und trotzdem wünscht er sich auch dort intensive Figurenarbeit. Wie sakrosankt allerdings eine Partitur für manchen Musikfreund ist, dass hat er schon in Diskussionen erlebt. Gounods „Faust“ immerhin hält auch einige Umstellungen und Striche aus. „Auerbachs Keller“ ist weggefallen, da greift die filmische Schule. „Kill your Darlings“ heißt es im Schneideraum, wenn rigide gekürzt werden muss.
Wegwerfen, Nebengleise rauslassen und zum Pudels-Kern der Geschichte vordringen: In Stölzls „Faust“-Inszenierung ist es das Thema Jugend, die sich der greise, gebrechliche Faust am Anfang so wünscht, dass er beim Anblick der jungen, hübschen Grete alle Bedenken über Bord wirft, die schöne Unschuld mit Juwelen ködert und sie irgendwann brüsk abstößt. Mit den bekannten, brutalen Folgen: Knast, Kindermord, Brudertod, ein großes menschliches Martyrium. „Wahnsinnig ergreifend“, sagt Stölzl, „was die Oper so stark macht, ist die Konzentration auf die Marguerite“.
Über Rammstein zum Freischütz gekommen
Überhaupt faszinieren ihn die Werke des 19. Jahrhunderts. „suggestive Musik“, findet Stölzl, „Mozart löst bei mir nicht so viel aus.“ Er selbst versteht sich dabei gar nicht als „Opern-Maniac“, der sich eine Repertoire-Rarität nach der anderen herauspickt, sondern gern abwartet, was ihm angeboten wird.
„Konsi, aber trotzdem nicht muffig“, skizziert der Regisseur dabei seinen Stil. Jemand, der schon „Rammstein“-Videos gedreht hat, muss schließlich kein brachialer Stückezertrümmerer sein. Über Rammstein ist er sogar zum Freischütz gekommen. Dazwischen lag ein deutscher Wald und allerlei nationalistisches Gerümpel, das Stölzl weggetragen hat, um ein „caligarifhaftes Spektakel“ anzurichten, das immerhin zehn Jahre lang lief. Danach hat sich wie so oft in seinem Leben „vieles ergeben“. Und womöglich wird Stölzl neben der Oper bald auch mehr Sprechtheater machen. Sofern Zeit bleibt. Und Madonna nicht anruft.