Essen. „Keine Atempause“: Essener Kultureinrichtungen flankieren die große „Rock und Pop“-Schau im Ruhr Museum mit Ausstellungen, Vorträgen, Konzerten.

Sie sind schon gemeinsam „gegen den Strom“ geschwommen und gönnen sich auch im Kulturjahr 2016 „keine Atempause“: Die alte Songzeile der Band „Fehlfarben“ von 1982 gibt in diesem Jahr das Motto vor, wenn sich die Kultureinrichtungen der Stadt unter einem gemeinsamen Thema zusammenschließen. Es geht um Songs und Systemkritik, um Bewegungen und Subkulturen. Die große „Rock und Pop im Pott“-Schau des Ruhr Museum, die im Mai startet, gibt dabei den populären Ton vor.

© WAZ

Sechs Jahrzehnte Musikgeschichte im Revier werden dort dokumentiert – mit Vorträgen, Filmen und Konzerten, mit Mode und Musikequipment, aber auch mit Tonträgern von Bands der Region, die sich so auf Zollverein präsentieren können. „700 Aufnahmen liegen schon vor, 120 davon aus Essen“, sagt Sprecher Philipp Bänfer. Dass die Stadt der legendären „Essener Songtage“ und des weltberühmten „Rockpalast“ noch mehr zu bieten hat, das thematisieren die Einrichtungen von der Volkshochschule bis zur Alten Synagoge.

Das Ruhrgebiet als Hochburg des HipHop

In einem Kulturjahr, in dem also buchstäblich viel Musik drin ist, wird auf Zeche Carl beispielsweise daran erinnert, dass das Ruhrgebiet Anfang der 1990er eine Hochburg des HipHop war, „ein Hotspot neben Hamburg, Heidelberg, Stuttgart“, sagt „Carl“-Geschäftsführerin Kornelia Vossebein. Pioniere wie Mar Stieber, Cora E. und Aphore werden beim Auftritt mit Seltenheitswert am 22. Januar an die Anfänge erinnern. Angekündigt haben sich auch die Nachfahren wie Azad, der in Mülheim aufgewachsene Manuellsen und der in Gladbeck geborene Rapper Fard.

Mit Clubkultur kann auch die Theater und Philharmonie aufwarten. Die nächste „Nachtmusik“ in der Philharmonie holt am 30. Januar (22.30 Uhr) die Soundartisten von Denovali Records an die Huyssenallee. Frischen Wind in den städtischen Themen-Kreis bringt auch die neue Reihe „Betonmusik“ im Goethebunker, die dem Jazz zeitgemäße Spielarten entlockt.

Offene Zweierbeziehungen und „... Mist auf Plakaten“

Die historischen und politischen Bezüge von Pop und Politik werden freilich auch hergestellt. In der Alten Synagoge beschäftigt sich ein Vortrag mit „Judentum und Popkultur (25. 2.), Bob Dylan und Leonard Cohen sind Vortragsthemen und natürlich „68 als Ereignis und Symptom“ (23. Juni). Die Stadtbibliothek macht die stilistischen Vielfalt der Essener Songtage in der Ausstellung „Von Amon Düül bis Zappa“ (24. 5. bis 9 7.) zum Thema. „Heute würde man daraus drei oder vier Festivals machen“, sagt Martin Faller angesichts des wilden Gemischs von Rock, Pop, Chanson und Folklore. Die Volkshochschule kümmert sich um subversive Kräfte in der Kunst, bietet einen Workshop zu Street Art und Urban Art (11./12. Juni) und hinterfragt den Fortschrittsglauben mit dem „Pop Amok“ von Alexander Heckert (28. 4. bis 1. 7.)

„... Mist auf Plakaten“ sieht man derweil im Haus der Geschichte, das die politisch-pointierte Plakatkunst des Graphiker-Ehepaars Elga und Gerulf Morgenstern-Hübner in den Mittelpunkt stellt (10.6. bis 29.9.) Und in der Studio-Bühne diskutiert man bürgerliche Beziehungsmuster mit „Offene Zweierbeziehungen“, der 80er-Jahre-Farce von Franca Rame und Dario Fo.

„Keine Atempause“ ist der dritte gemeinsame Auftritt der Kulturinstitute. 2017 wird es um Weltreligionen, Paradiese und Utopien gehen. 15 000 Flyer werden verteilt, doch über den gebündelten Auftritt hinaus sieht der Leiter des Kulturbüros, Bernd Mengede, den Mehrwert vor allem im inhaltlichen Dialog aller Beteiligten..