Essen. . In einer E-Mail hat der Unperfekthaus-Gründer nochmals Stellung zur Kritik der vergangenen Tage bezogen. Zwei Begriffe bezeichnete er als Fehler.
In einer mit „Zusammenfassen und Nachdenken“ überschriebenen E-Mail hat Unperfekthaus-Gründer Reinhard Wiesemann erneut Stellung zu der Kritik vergangener Woche bezogen. Die war auf Wiesemann eingeprasselt, weil eine Gruppe besorgter Essener im Unperfekthaus eine Bürgerwehr hatte gründen wollen. Zwar entschuldigte er sich nicht für seine Entscheidung, allen Gruppen offen gegenüber zu treten. Wohl aber für die Wortwahl „Gutmenschen“ und „Shitstorm“: damit habe er „positiv denkende und handelnde Menschen herabgewürdigt“ und Kritiker nicht ernst genommen. Die E-Mail im Wortlaut:
„Hallo alle,
Worum geht’s? Hier der Link zum WAZ-Artikel vom Samstag, und hier der Link zum Kommentar des Redaktionsleiters.
Zunächst ganz herzlichen Dank für die unzähligen aufmunternden und unterstützenden Mails und Kommentare. Ich mache gerade die Erfahrung, wie unglaublich wichtig solche Unterstützung in so einer Situation auch für die eigene Psyche ist und fühle mich ganz schlecht, weil ich nicht allen antworten kann. Doch viel wichtiger ist, dass jede(r) in seinen Kreisen und auf seine Art das Thema bespricht. Wir müssen weg davon, dass immer mehr Einheitsmeinung und Alternativlosigkeit im Denken propagiert werden. Auf der anderen Seite aber stehen auch Massen an Kritik inkl. vieler Angebote für Gespräche. Auch das schaffe ich rein von meiner Kapazität her nicht. Ich mache hier deshalb den Versuch, das, was ich in den letzten Tagen gelernt habe, zu strukturieren und darüber öffentlich nachzudenken:
1) Die Macht des Wortes „Bürgerwehr“:
Fachleute verwenden Worte viel exakter als Laien. Der bestehende Wissensunterschied wird m.E. von zwei Seiten ausgenutzt: Gut ausgebildete Nazis beeinflussen weniger gut unterrichtete Bürger, das Wort „Bürgerwehr“ zu verwenden und wissen ganz genau, dass das für kundige Menschen eine Missachtung des staatlichen Gewaltmonopols androht. Weniger kundige Mitglieder der Gruppe wollen vielleicht nur eine legale, präventive Initiative engagierter Bürger, doch sie merken nicht, vor welchen Karren sie hier gespannt werden.
Mit Recht besorgte, gut informierte Menschen sehen in dieser Situation aber leider sofort „rot“ und lehnen die GANZE Gruppe ab, ohne auch nur auf die Idee zu kommen, dass ein vermutlich hoher zweistelliger Prozentsatz unserer Mitmenschen jederzeit in die Falle tappen würde, auch eine gewaltfreie, legale Initiative „Bürgerwehr“ zu nennen.
M.E. müssen die besser informierten, wohlmeinenden Menschen erst einmal solche Gruppen fragen, ob den Leuten überhaupt bewusst ist, was für ein Wort sie da verwenden, und ob sie das wirklich wollen. Genau das habe ich getan, und ich halte das nach wie vor für richtig. Diese Menschen wollen etwas tun, und sie haben enorme Energien dafür. Wenn wir nicht aufzeigen, wie man sich in Deutschland als Bürger legal und nützlich für Sicherheit engagieren kann, dann gehen immer größere Energien in Richtungen, die wir nicht wollen. Das ist genau so wie im nicht minder wichtigen Gesundheitsbereich: „Operative Eingriffe nur durch Fachleute, aber private Fitnessgruppen sind zur Prävention durchaus legal. (Nicht aber private Clubs von Chirurgen)“.
2) Wie sicher kann sich jede(r) seiner Gedanken sein?
Was ich sage, ist immer meine Meinung, ich gebe mir große Mühe mit meiner Meinungsfindung und halte jeden Gedanken nur für einen Zwischenzustand bis ein besserer Gedanke kommt. Ich setze mich intensiv Kritikern aus und führe unzählige Gespräche und Mailwechsel. Dennoch kann ich mir nicht sicher sein, ob meine Gedanken wirklich hilfreich oder vielleicht sogar schädlich sind.
Genauso wenig können sich aber auch diejenigen sicher sein, die „Man darf denen keinen Raum geben“ als Lösung propagieren!
Mein Weg in solchen Fällen ist immer das Ausprobieren im Kleinen. Deshalb war mein Vorschlag, mit der geplanten „Bürgerwehr“ offen umzugehen, zu reden, über den Namen nachzudenken, festzustellen, ob da wirklich das Gewaltmonopol in Frage gestellt werden soll usw.. Das ist genau die Verhaltensweise, die sich in meinem Leben immer wieder bewährt hat: Eine neue Idee im Kleinen (1 Bürgerwehr, konkret reden) ausprobieren.
3) Warum überhaupt ein neuer Lösungsansatz?
Mir wird immer vorgeworfen, dass ich mich nicht an das ultimativ eingeforderte „Man soll denen keinen Raum geben“ halten wollte, doch in bin überzeugt, dass diese „Lösung“ ausreichend gezeigt hat, dass sie nicht funktioniert:
„Man soll denen keinen Raum geben“ wird schon sehr lange praktiziert und hat bisher m.E. zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis geführt. Die Rechten werden stärker, viele (ich persönlich gehöre nicht zu dieser Gruppe!) empfinden Sicherheitsprobleme, die Gewaltbereitschaft steigt, die Gesellschaft wird gespalten.
Auch in der Theorie hat mir noch niemand erklären können, wie „Man soll denen keinen Raum geben“ funktionieren könnte. Selbst diejenigen, die diese „Lösung“ propagieren, schieben nämlich im nächsten Satz frustriert hinterher „und dann gehen sie woanders hin“.
Ich verstehe einfach nicht, warum tolle, engagierte Menschen so vehement für eine „Lösung“ eintreten, deren Wirkungslosigkeit sie wenige Sekunden später selbst eingestehen. Und ich verstehe nicht, warum jemand, der in einer so unbefriedigenden Situation einen alternativen Weg ausprobieren will, derartig angegriffen wird.
Nebengedanke: In anderen Bereichen sind wir schlauer. Nach meiner laienhaften Einschätzung ist die Kriminalität in Deutschland geringer als in anderen Ländern, WEIL wir Resozialisierung groß schreiben. Wir haben m.E. verstanden, dass wir mit kriminell gewordenen Menschen spätestens nach ihrer Entlassung wieder zusammenleben werden, deshalb kümmert man sich um sie und versucht, sie wieder in die Gesellschaft einzugliedern.
4) Thema „Gewalt“
Gewalt hat viele Formen. Diejenigen, die intellektuell etwas besser drauf sind, setzen manchmal ihre Worte wie Pfeile ein, andere versuchen, dem Unperfekthaus durch Boykottaktionen, Stornierungen von Buchungen, negative Bewertungen und Verleumdung im Internet wirtschaftlich Gewalt anzutun, und wieder andere betonen, wie effektiv ihr Schlagstock im Zweifelsfall ist.
Auch die „allgemeine Meinung“ ist eine gewaltige Kraft, wenn ich z.B. höre, dass selbst Leute ihr Buchungen bei uns stornieren, die uns nicht-öffentlich versichern, dass sie inhaltlich voll hinter dem Unperfekthaus stehen. Weil sie durch den veröffentlichten Druck verunsichert werden.
Wer immer nur die Gefahr von Schlagstöcken betont, verkennt, wie subtil auf viel effektivere Weise in unserer Gesellschaft Gewalt ausgeübt wird.
Im Unperfekthaus möchten wir BITTE weder die eine noch die andere Art von Gewalt. Wir möchten der Ort bleiben, an dem man sich zivilisiert austauscht, auch wenn man völlig verschiedener Meinung ist.
Liebe Grüße
Reinhard Wiesemann
P.S.: Ich kann es leider nicht vermeiden, auch immer wieder Fehler zu machen. Für zwei davon würde ich mich gern hier entschuldigen: Ich hätte nicht von „Gutmenschen“ reden sollen und auch nicht von „Shitstorm“. Sorry, mit „Gutmenschen“ habe ich positiv denkende und handelnde Menschen herabgewürdigt und mit dem zweiten Wort habe ich Kritiker nicht ernst genommen. Ich kann Fehler nicht vermeiden, bitte schaut auf das Gesamtbild und gesteht mir einzelne Fehler zu.