Essen. Die Genossen im Essener Norden bedauern die Wortwahl ihre Demo-Aufrufs, der fatal an einen NPD-Slogan erinnerte. An ihrem Anliegen halten sie fest.

  • SPD im Essener Norden entschuldigt sich für Wortwahl
  • Demo-Motto erinnerte an NPD-Slogan
  • Justizminister mahnt Genossen zu Besonnenheit

Die SPD im Essener Norden hat am Wochenende einen Rüffel von der Ministerpräsidentin kassiert und Prügel vom politischen Gegner bezogen. Am schlimmsten aber traf sie der Beifall von der falschen Seite. AfD und NPD wären zu gern unter dem Motto „Der Norden ist voll“ gegen neue Flüchtlingsunterkünfte aufmarschiert – wie es die Genossen für Dienstag geplant hatten.

Die Reaktionen sind so erwartbar wie verheerend: So fragt der Essener Grünen-Bundestagsabgeordnete Kai Gehring, ob die Sozialdemokraten nun „AfD und NPD nachlaufen wollen“, die Linke warnt vor „Stimmungsmache und Straßenblockaden“ und der Essener CDU-Chef Matthias Hauer fordert die SPD auf sich zu schämen, das Thema Flüchtlingsunterbringung „weiter aufzuheizen“.

Dass da ein wenig Selbstgerechtigkeit mitschwingt, hilft den Genossen vor Ort wenig. Am Samstag wird die Demo abgesagt, am Sonntag beginnt die Aufarbeitung – am Rande der Jahreshauptversammlung der SPD Altenessen im Awo-Club. Es ist ein Kammerspiel in Karnevals-Deko mit knapp 50 Mitwirkenden. Die Stimmung tendiert zwischen Trotz und Zerknirschung.

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Sie bedauere die falschen Interpretationen der Demo, sagt etwa Bezirksvertreterin Birgit Petereit: „Der Norden ist bunt, und wir leben gern hier, aber es gibt Belastungsgrenzen.“ In der jüngeren Vergangenheit habe sich eine zarte Mittelschicht mit Eigenheimen entwickelt, für die Zukunft träume man von der Marina: „Wer legt denn da sein Segelboot hin, wenn nebenan ein Flüchtlingsheim steht?“, fragt ein Genosse.

"Die Aktion ist gestorben, das Anliegen war richtig"

Doch Thomas Kutschaty, LandesJustizminister aus Essen, mahnt: „Der klassische Weg, seine Interessen klar zu machen, ist über die eigenen Mandatsträger, die im Rat mit über die Standorte mit entscheiden.“ Eine Botschaft, die ankommt – es gibt später ein paar Wortmeldungen, aber keine hitzige Debatte.

Auch vom angereisten NRW-Generalsekretär André Stinka fühlen sich die Genossen „nicht in den Senkel gestellt“, wie Ratsherr Karlheinz Endruschat formuliert. Er habe Einzelgespräche geführt „und uns Unterstützung zugesagt“. Wir werden gehört, das ist wohl das allgemeine Empfinden, nachdem man den ersten Schock verdaut hat.

„Die Aktion ist gestorben, das Anliegen war richtig“, sagt Stephan Duda, Vorsitzender der SPD Karnap und Initiator der Demo. Die Wortwahl im Aufruf sei total verunglückt, „den Schuh muss ich mir anziehen“. In Duda einen verkappten Rechten zu vermuten, sei aber völlig falsch, sagt auch Kutschaty. Noch am Donnerstagmittag habe man gemeinsam das Flüchtlingsdorf in Karnap besucht: „Da kannten alle Herrn Duda, weil der Sportsachen für Flüchtlinge sammelt, mit denen Fußball spielt und sich am Runden Tisch engagiert.“ Bloß, dass er die geplante Demo nicht erwähnt habe, irritiere ihn. Dafür freilich hat Duda eine Erklärung: „Die haben wir uns erst Donnerstagabend ausgedacht. War halt ein Schnellschuss.“ Und dem kann der – am Sonntag wiedergewählte – Altenessener SPD-Chef Jürgen Garnitz sogar noch etwas abgewinnen: „Mit der Nicht-Demo haben wir vermutlich mehr erreicht als mit der Demo.“