Essen. . Nachdem im Essener Osten und Süden Freiflächen durchs Prüfraster für den Bau von Flüchtlingsunterkünften gefallen sind, hat die Diskussion einen gefährlichen Dreh’ bekommen: Plötzlich heißt es Nord gegen Süd. Zu Recht? Ein Blick auf die Statistik.

Wie bekommen wir die Menschen auf dem schnellsten Weg aus den Zelten heraus? Wie lassen sich Tausende von Flüchtlingen menschenwürdig unterbringen? Darüber zerbrechen sich die Verantwortlichen im Rathaus die Köpfe. Doch in Politik und Öffentlichkeit dreht es sich längst um eine andere Frage: Es geht nicht mehr um das Wie, sondern um das Wo?

Die Suche nach neuen Flächen, die für den Bau von festen Unterkünften geeignet sind, hat diese Debatte befeuert. Dass inzwischen eine Reihe von Landschaftsschutzgebieten für den vorgesehenen Zweck nicht mehr in Frage gekommen – nicht für Flüchtlingsunterkünfte und nicht für eine spätere Wohnbebauung – kann die Gemüter nicht beruhigen.

Im Gegenteil. Seit im Osten und Süden der Stadt gelegene Freiflächen durchs Prüfraster gefallen sind, hat die Diskussion einen gefährlichen Dreh’ bekommen: Plötzlich heißt es Nord gegen Süd. Zu Recht?

Große Unterschiede beim Anteil der Flüchtlinge in den Bezirken

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Nimmt man die Zahl der Flüchtlinge zum Maßstab, die bereits in Unterkünften und Zelten leben und rechnet jene hinzu, die auf den von der Verwaltung vorgeschlagenen Flächen untergebracht werden könnten, ergibt sich folgendes Bild: Der Norden und der Süden liegen gar nicht weit auseinander. 24 Prozent kämen auf die beiden südlichen Stadtbezirke VIII (Ruhrhalbinsel) und IX (Bredeney/Werden/Kettwig), in den beiden nördlichen Stadtbezirken V (Altenessen, Karnap, Vogelheim) und VI (Katernberg, Schonnebeck, Stoppenberg) wären es 28,7 Prozent.

Aber spiegeln diese Zahlen ein realistisches Bild wider? Gilt es nicht auch zu berücksichtigen, dass im Süden der Stadt viel weniger Menschen auf einer viel größeren Fläche leben? Und dass im Norden der Anteil an Migranten deutlich höher ist? Flüchtlinge, die bereits in Wohnungen leben, blieben bei den genannten Zahlen übrigens außen vor, und das sind immerhin mehr als 2000 Personen.

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Statistiken lassen sich drehen wie man will. Sie mögen eine gefühlte Unausgewogenheit widerlegen oder bestätigen. Denn auch letzteres lässt sich zumindest statisch nachweisen: So kommt der Bezirk VII (Steele/Kray) beim Anteil der Flüchtlinge auf nur 7,2 Prozent. Gleiches gilt aber auch für den Bezirk II (Rüttenscheid, Stadtwald, Rellinghausen) mit 7,4 Prozent und den Bezirk IV, den Großraum Borbeck, mit 7,3 Prozent.

Im Rathaus denken sie längst laut über ganz andere Szenarien nach

Die Debatte mag das versachlichen, die Proteste wird das nicht befrieden. Egal welche Fläche die Verwaltung ins Gespräch bringt, sei es die Bruchstraße in Katernberg oder die Antropstraße in Überruhr – es melden sich Anwohner, die in Sorge sind. Erst mit der Entfernung, das zeigt die Erfahrung, nimmt die Betroffenheit ab.

Gibt die Politik dieser Stimmung nach? Die Neigung ist unter Kommunalpolitikern verbreitet. Im Rathaus denken sie längst laut über ganz andere Szenarien nach. Kriegt die Stadt das Problem und die Kosten nicht bald in den Griff, übernimmt die Kommunalaufsicht und regelt selbst, wo Unterkünfte gebaut werden. Es ist eine Drohung mit dem Holzhammer? Fest steht: Die Zeit drängt.