Essen. Ältere „Ferrostaaler“ denken mit Wehmut an Zeiten, als das Handelshaus zu den unternehmerischen Perlen gehörte. Der Verkauf des Gebäudes am Stadtgarten hat die Stimmung nicht verbessert.

Der Schriftzug mit dem schwungvollem Bogen ist an der Hohenzollernstraße 24 und den umliegenden Gebäuden immer noch sehr präsent: Aber nicht überall wo dort „Ferrostaal“ drauf steht, ist auch nur „Ferrostaal“ drin. Längst haben sich in dem Immobilien-Ensemble, das gerade für einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag an einen englischen Investor verkauft wurde, diverse Gäste eingemietet: Steag, Schenker, ein Immobilien-Entwickler, eine Wirtschaftskanzlei. Bald dürfte auch die zweite der fünf Etagen im Hauptgebäude des Traditionsunternehmens extern vermietet werden. Die Zahl der Mitarbeiter, die der einst große wie stolze Anlagenbauer und Stahlhändler „Ferrostaal“ in Essen beschäftigt, sank in den letzten Jahren immer weiter.

„Das ist schon lange nicht mehr das Unternehmen, das es einmal war“, sagt ein Mitarbeiter, der schon Jahrzehnte bei Ferrostaal arbeitet. „Die Stimmung im Hause ist mies. Es ist ein Trauerspiel. Es fühlt sich wie ein langsames Sterben an.“ Seit dem letzten Eigentümerwechsel 2011 wurden fast 400 Arbeitsplätze an der Hohenzollernstraße abgebaut. Je nach Lesart und Einbeziehung von Beteiligungen sind noch 250 bis 350 Mitarbeiter in Essen beschäftigt. Die Hamburger Beteiligungsfirma MPC ist als Besitzer zwar mit einer Fahne vor dem Hauptgebäude präsent. Ansonsten gehen aber von dort bange Blicke Richtung Hamburg, wo viele strategische Entscheidungen für Essen getroffen werden.

Hoffnung auf Iran

2010, nach dem schwungvollen Einstieg des arabischen Staatsfonds IPIC als Mitbesitzer neben MAN, waren noch Mitarbeiter eingestellt worden. Dann kamen eine Schmiergeldaffäre, die bundesweit für Schlagzeilen sorgte, mit Bußgeldern und Anwaltskosten in dreistelliger Millionenhöhe. Schließlich der Besitzerwechsel. Es folgten Stellenabbau und die Verlagerung von Aufgaben. Bis 2018 dürfen, das ist vertraglich vorgesehen, jetzt keine Funktionen mehr aus Essen abgegeben werden. „Was dann kommt, weiß keiner“, sagt ein Mitarbeiter.

Zumindest ein paar zarte unternehmerische Pflänzchen gibt es. Mit einer dänischem Spezialfirma wurde das Joint Venture „Ferrostaal Topsoe Projects“ in Essen gegründet. Hier werden Industrieanlagen-Projekte für die Petrochemie, Raffinerie- und Umwelttechnik entwickelt. Daneben will man, so das Unternehmen, die „über Jahrzehnte aufgebaute gute Reputation bei Geschäftspartnern im Ausland nutzen und ausbauen“. Zielmarkt ist, neben Brasilien, Portugal und Nordamerika, jetzt der Iran. Der darf sich wieder wirtschaftlich öffnen. „Mit der neu gegründeten Gesellschaft Ferrostaal Persia und der vorhandenen Infrastruktur hoffen wir auf Aufträge der iranischen Petro- und Ölindustrie“, so Ferrostaal. „Vielleicht“, so überlegt ein Mitarbeiter, „ist es wie mit einem früher erfolgreichen Fußballverein, der ein paar Jahre braucht, bis er wieder auf die Beine kommt.“

"Schmieren" war gang und gäbe

Früher - das ist ein Wort, das man bei alten und neuen Ferrostaalern häufig hört. Seit 1926 ist das Unternehmen mit niederländischen Wurzeln (daher das Doppel-A im Namen) in Essen ansässig, wurde groß unter dem Dach des mächtigen GHH, später MAN-Konzerns. Spezialität war der internationale Stahl- und Maschinenhandel, dann auch der Anlagenbau. Bei Ferrostaal ging es schon um Globalisierung, als das Wort noch keiner kannte, nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich das Handelshaus zu einer der unternehmerischen Perlen in Essen.

Gerade bei Geschäften mit Entwicklungsländern war das „Schmieren“ früher gang und gäbe - mit allzu negativen Folgen für die Unternehmenskultur. Ferrostaal beteuerte nach dem Skandal aber: „Wir haben gelernt.“ Bleibt auch für Essen zu hoffen, dass es irgendwie weitergeht an der Hohenzollernstraße.