Essen. „Wegweiser“ soll Jugendliche vor einem Abgleiten in die gewaltbereite Szene bewahren. Land und Stadt suchen nach einem geeigneten Träger.

  • Der Startschuss für das Projekt ist vor etwa zwei Jahren in zwei Städten gefallen
  • Gefährdete Jugendliche sollen vor der Propaganda der Salafisten geschützt werden
  • Verfassungsschutz warnt vor zunehmenden Umtrieben extremistischer Salafisten

Bochum, Bonn, Düsseldorf und Wuppertal wissen bereits, wo’s lang geht, in Duisburg wird „Wegweiser“ offiziell am 25. Januar an den Start gehen. Doch Essen muss wohl noch bis Ende des Jahres warten, bis das gleichnamige Präventions-Projekt des Landes gegen den Einstieg junger Menschen in den gewaltbereiten Salafismus vor Ort seine Arbeit aufnehmen kann.

Wie Jörg Rademacher, Sprecher im NRW-Innenministerium, jetzt auf Nachfrage berichtete, ist man derzeit auf der Suche nach einem Träger des Angebots gegen radikale islamistische Tendenzen: „Wir schauen zusammen mit der Stadt, wer dafür geeignet ist.“

Startschuss fiel in Bochum und Düsseldorf

Bis zu 80.000 Euro stellt das Land für in der Regel zwei Sozialarbeiter bereit, die vor allem junge Menschen ohne feste Lebensziele darüber aufklären sollen, was Salafismus ist und was sie den Anwerbeversuchen radikaler Rekrutierer entgegensetzen können. Sie stehen aber auch als Aufklärer in Schulen und Jugendheimen oder als Ansprechpartner für Lehrer und Eltern bereit, die sich ebenfalls an „Wegweiser“ wenden können, wenn sie das Gefühl haben, dass ein junger Mensch in die radikale Szene abzugleiten droht.

Der Startschuss für das Projekt, das in NRW möglichst flächendeckend umgesetzt werden soll, ist vor etwa zwei Jahren in Bochum und Düsseldorf gefallen. Allein in der kleinen Nachbarstadt werden 65 junge Frauen und Männer beraten. Erklärtes Ziel der dortigen und der künftigen Essener Betreuer ist es, gefährdete Jugendliche möglichst früh zu erreichen, um sie vor der Propaganda der Salafisten schützen zu können, deren Ziel, so der Verfassungsschutz, „die vollständige Umgestaltung von Staat, Rechtsordnung und Gesellschaft nach einem salafistischen Regelwerk, das als gottgewollte Ordnung angesehen wird“, ist. In letzter Konsequenz soll ein islamischer „Gottesstaat“ errichtet werden, in dem in Deutschland garantierte Grundrechte und Verfassungspositionen keine Geltung mehr hätten.

Kontakte zu 50 Dschihadisten

Besonders öffentlichkeitswirksam war in Essen die nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes von der salafistischen Missionierungsorganisation „Die Wahre Religion“ betriebene „Lies!“-Kampagne, bei der kostenlose Koranübersetzungen an Nicht-Muslime verteilt wurden.

Zahlen und Fakten

Der Salafismus gilt als die zurzeit dynamischste islamistische Bewegung. Lag die bundesweite Zahl der Salafisten im Jahr 2011 noch bei 3800, gehen die Behörden inzwischen von rund 7500 Personen (Stand: Juni 2015) aus.

Rund 2500 davon leben in NRW. 500 davon gelten nach Einschätzung des Verfassungsschutzes des Landes als gewaltbereit. Lokale Zahlen nennt das Innenministerium nicht.

NRW-Verfassungsschutzchef Burkhard Freier selbst hat jüngst vor den zunehmenden Umtrieben extremistischer Salafisten unter anderem in Flüchtlingsunterkünften aber auch in Moscheen eindringlich gewarnt. Diese alarmierende Entwicklung schlägt sich in den bereits existierenden „Wegweiser“-Stellen merklich nieder: In den letzten Monaten, insbesondere nach den Anschlägen in Paris, sollen dort über 2700 Anfragen besorgter Eltern, Lehrer und Schüler eingegangen sein. Und es gebe inzwischen Kontakte zu 50 Dschihadisten, von denen etwa die Hälfte aus der Szene aussteigen will.