Essen. . Der junge Essener Abdullah besuchte die Frida-Levy-Gesamtschule, radikalisierte sich blitzschnell und kam 2011 beim Terroreinsatz nahe Kundus ums Leben. Ein Mitschüler erinnert sich an ihn und klagt Hassprediger in Essen an.

Abdullah hatte afghanische Wurzeln, wuchs in Altenessen auf und besuchte die Frida-Levy-Gesamtschule. Weil er im März 2011 bei einem Gefecht nahe Kundus (Afghanistan) ums Leben kam, verehrt die Salafistenszene den jungen Deutsch-Afghanen seitdem als Märtyrer mit dem Kampfnamen „Miqdad“. Bevor er für die Terrorbrigade „Islamische Bewegung Usbekistan“ in den „Heiligen Krieg“ zog, ging auch er in der Assalam-Moschee auf der Altenessener Straße 6 ein und aus.

Ein Mitschüler erinnert sich

Khaled* erinnert sich gut an Abdullah: „Wir waren zusammen auf der Frida-Levy-Gesamtschule, seine Leistungen waren anständig und mit dem Gesetz ist er nie in Konflikt geraten.“ Aufgewachsen sei er in Altenessen-Süd in einer Siedlung östlich der Gladbecker Straße. Seine Eltern und der ältere Bruder wohnten immer noch dort, heißt es.

In Essen radikalisiert: Ein Propagandavideo der „Islamischen Bewegung Usbekistans“ zeigt Abdullah alias Miqdad, den „afghanischen Blitz“, kurz vor seinem Tod.
In Essen radikalisiert: Ein Propagandavideo der „Islamischen Bewegung Usbekistans“ zeigt Abdullah alias Miqdad, den „afghanischen Blitz“, kurz vor seinem Tod.

Dass ausgerechnet dieser Abdullah eines Tages eine „Karriere“ als Terrorist machen würde, habe keiner seiner Mitschüler für möglich gehalten. Gewiss, er habe sich fürchterlich aufregen können über die US-Soldaten in Afghanistan und über den Nato-geführten Isaf-Feldzug. Wütend sei er gewesen, wenn unschuldige Verwandte dabei ums Leben kamen. Aber erklärt das seine Wandlung zum Terroristen?

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Eltern und Lehrern, Verfassungs- und Staatsschützern, Politikern und Polizisten geben diese jungen Männer, die in Deutschland aufwachsen und im Namen Allahs zur Waffe greifen, Rätsel auf. „Zum Töten bereit“ (256 Seiten, 14,90 Euro, Piper) heißt das lesenswerte Buch der Dinslakener Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor, die darin der Frage nachgeht, warum deutsche Jugendliche in den Dschihad ziehen. Es mündet in der eindringlichen Warnung vor „salafistischen Menschenfängern“, die „erfolgreich Jagd auf unsere Jugend“ machten. Junge Leute, die meistens schon in der Schule scheitern, keinen Job finden, perspektivlos sind und sich als Muslime ausgegrenzt fühlen.

Religiöser Eiferer mit langem Bart und weißem Gewand

Auch Khaled ist sich sicher, dass Abdullah in die Hände eines solchen Menschenfängers geraten ist. „Abdullah ging plötzlich immer häufiger in die Assalam-Moschee und da war ein Typ, der ihn aufgehetzt hat, in den Kampf zu ziehen. Ein Typ, der längst untergetaucht ist und von dem jede Spur fehlt.“

Ali Rehan - charismatisch, gefährlich, abgeschoben

Ali Rehan, Vorbeter der Essener Assalam-Moschee, wurde 2009 festgenommen und abgeschoben. Der Medizinstudent aus Palästina gilt als Ziehkind des in Bochum lebenden Tunesiers Sami A., der – seit einem großen Terrorprozess gerichtsfest belegt – zur Leibwache von El Kaida-Chef Osama Bin Laden gehörte.

Dem als sehr charismatisch beschriebenen Ali Rehan wird zugetraut, Salafisten wie Tayfun S., Koray D. und Miqdad angelockt und radikalisiert zu haben. Bei seiner Festnahme entdeckte man auf Handys und USB-Sticks ein Abschiedsvideo für Miqdad, mehrere El Kaida-DVDs und eine Anleitung zur Herstellung von Bomben.

Abdullahs Wandlung zum religiösen Eiferer blieb seinen Freunden in Essen nicht verborgen. „Sein Bart wurde zunehmend länger und auf einmal lief er in einem langen weißen Gewand herum“, erzählt sein Bekannter. Er beschreibt ihn als einen sportlichen Typen, der gerne boxte und in die „Muckibude“ ging. „Er war kräftig gebaut und hatte Eier in der Hose.“ Allerdings weist er auf einen Charakterzug Abdullahs hin, der ihn für salafistische Menschenfänger so interessant gemacht haben könnte. „Er war wohl leicht zu manipulieren. Und ruckzuck tot – Kanonenfutter eben.“

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Weil sich Abdullahs Wandlung so ungeheuer schnell vollzog, nennen sie ihn den „afghanischen Blitz“. Im Netz kursiert ein Propagandavideo, in dem der Bonner Islamist Yassin Chouk sagt: „Liebe Geschwister in Essen, Allah der Erhabene erwählte aus eurer Stadt einen überaus Fleißigen, einen Bruder, der noch kürzlich in euren Gebetsreihen stand. Einen Bruder, der durch die Straßen Essens spazierte und nicht wirklich auffiel.“

Derselbe Yassin Chouka hat dazu aufgerufen, „Mitglieder von Pro NRW“ zu töten und in Deutschland Anschläge zu verüben. Angeblich ist er Anfang 2015 – auf dem Weg vom Iran nach Syrien – getötet worden.

* Name von der Redaktion geändert

Islamistischer Terrorismus

Heimgekehrte IS-Terroristen, mutmaßliche Attentäter, Salafisten: Ihre Wege haben sich in Essen gekreuzt, in der Essener Assalam-Moschee. Ein Fahnder schlägt Alarm. Dieses Archivbild zeigt Anhänger des radikal-islamischen Predigers Pierre Vogel 2013 vor einer Demonstration in Frankfurt.
Heimgekehrte IS-Terroristen, mutmaßliche Attentäter, Salafisten: Ihre Wege haben sich in Essen gekreuzt, in der Essener Assalam-Moschee. Ein Fahnder schlägt Alarm. Dieses Archivbild zeigt Anhänger des radikal-islamischen Predigers Pierre Vogel 2013 vor einer Demonstration in Frankfurt. © dpa
Frankreich-Hass im Netz: das Facebook-Titelbild eines jungen Esseners.
Frankreich-Hass im Netz: das Facebook-Titelbild eines jungen Esseners. "Kuffar" sind Ungläubige. Screenshot: Facebook
Video-Screenshot von IS-Terrorist Silvio K. (Mitte) zwischen zwei weiteren bewaffneten Extremisten im syrischen Kampfgebiet. Silvio K. ist Sprachrohr der Terrorarmee. Bevor der Konvertit nach Solingen zog, lebte er in Essen am Gerlingplatz - nicht weit entfernt von der Assalam-Moschee, in der er Stammgast war.
Video-Screenshot von IS-Terrorist Silvio K. (Mitte) zwischen zwei weiteren bewaffneten Extremisten im syrischen Kampfgebiet. Silvio K. ist Sprachrohr der Terrorarmee. Bevor der Konvertit nach Solingen zog, lebte er in Essen am Gerlingplatz - nicht weit entfernt von der Assalam-Moschee, in der er Stammgast war. © Screenshot
In einem Propagandavideo wird  Miqdad (links) aus Essen als Märtyrer verherrlicht. Kurz vor seinem Tod 2011 schwadronierte er: „Ich grüße alle Geschwister, speziell die in Deutschland. Alles Lob gebührt Allah, dass ich hier ... den Auftrag bekommen habe, in Kundus gegen die Deutschen und die Nato kämpfen zu dürfen.“
In einem Propagandavideo wird Miqdad (links) aus Essen als Märtyrer verherrlicht. Kurz vor seinem Tod 2011 schwadronierte er: „Ich grüße alle Geschwister, speziell die in Deutschland. Alles Lob gebührt Allah, dass ich hier ... den Auftrag bekommen habe, in Kundus gegen die Deutschen und die Nato kämpfen zu dürfen.“
In Essen radikalisiert: Ein Propagandavideo der „Islamischen Bewegung Usbekistans“ zeigt Abdullah alias Miqdad, den „afghanischen Blitz“, kurz vor seinem Tod.
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Der Angeklagte Tayfun S. aus Frillendorf muss sich seit 2014 in einem Staatsschutzprozess vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf wegen versuchten Attentaten verantworten.
Der Angeklagte Tayfun S. aus Frillendorf muss sich seit 2014 in einem Staatsschutzprozess vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf wegen versuchten Attentaten verantworten. © dpa
Der Hauptangeklagte Marco G. (r.) begrüßte zu Beginn des Terrorprozesses im September 2014 den Mitangeklagten Koray D.. Dieser gehörte 2011 dem Sportschützenverein „Snipers Essen“ an.
Der Hauptangeklagte Marco G. (r.) begrüßte zu Beginn des Terrorprozesses im September 2014 den Mitangeklagten Koray D.. Dieser gehörte 2011 dem Sportschützenverein „Snipers Essen“ an. © dpa
Der Angeklagte Enea B. aus Albanien: Der Ex-Polizist wurde zeitweise von der NRW-Polizei ausgebildet.
Der Angeklagte Enea B. aus Albanien: Der Ex-Polizist wurde zeitweise von der NRW-Polizei ausgebildet. © dpa
Sami A., eine Schlüsselfigur der Islamistenszene im Ruhrgebiet. Der in Bochum lebende Tunesiers gehörte zur Leibwache von El Kaida-Chef Osama Bin Laden, das ist seit einem großen Terrorprozess gerichtsfest belegt. Eines seiner Ziehkinder soll Ali Rehan sein, Vorbeter der Essener Assalam-Moschee. Rehan wurde 2009 festgenommen und abgeschoben.
Sami A., eine Schlüsselfigur der Islamistenszene im Ruhrgebiet. Der in Bochum lebende Tunesiers gehörte zur Leibwache von El Kaida-Chef Osama Bin Laden, das ist seit einem großen Terrorprozess gerichtsfest belegt. Eines seiner Ziehkinder soll Ali Rehan sein, Vorbeter der Essener Assalam-Moschee. Rehan wurde 2009 festgenommen und abgeschoben. © Matthias Graben / FUNKE Foto Services
Die Assalam-Moschee auf der Altenessener Straße 6 im Spätsommer: Obwohl nur für 50 Personen genehmigt, finden sich zu den Freitagsgebeten bis zu 350 Gläubige ein. Zur Not wird draußen auf dem Bürgersteig gebetet.
Die Assalam-Moschee auf der Altenessener Straße 6 im Spätsommer: Obwohl nur für 50 Personen genehmigt, finden sich zu den Freitagsgebeten bis zu 350 Gläubige ein. Zur Not wird draußen auf dem Bürgersteig gebetet. © Stefan Arend / FUNKE Foto Services
Auffallend viele Turnschuhe stapeln sich beim Freitagsgebet vor der Eingangstür. Ein Zeichen dafür, dass die Moschee bei jungen Muslimen in Essen sehr beliebt ist.
Auffallend viele Turnschuhe stapeln sich beim Freitagsgebet vor der Eingangstür. Ein Zeichen dafür, dass die Moschee bei jungen Muslimen in Essen sehr beliebt ist. © Knut Vahlensieck / FUNKE Foto Services
Die Assalam-Moschee gilt als Abspaltung der alteingesessenen Abu-Bakr-Moschee auf der Altenessener Straße 521. Ein weiterer, den beiden erstgenannten nahestehender Ableger ist die Al-Faruk-Moschee in der Bersonstraße 11.
Die Assalam-Moschee gilt als Abspaltung der alteingesessenen Abu-Bakr-Moschee auf der Altenessener Straße 521. Ein weiterer, den beiden erstgenannten nahestehender Ableger ist die Al-Faruk-Moschee in der Bersonstraße 11.
Salafistische Koranverteiler auf der Kettwiger Straße:  Unser Archivbild zeigt in der Bildmitte den salafistischen Prediger Ibrahim Abou-Nagie.
Salafistische Koranverteiler auf der Kettwiger Straße: Unser Archivbild zeigt in der Bildmitte den salafistischen Prediger Ibrahim Abou-Nagie. © Funke Foto Services
Gemäßigte Muslime kontra Salafisten: Junge Aktivisten demonstrierten im Juli auf der Kettwiger Straße gegen die „Lies“-Koranverteiler. Dafür hatten sie sich als „Gotteskrieger“ verkleidet – mit angeklebten schwarzen Bärten und blutrot gefärbten Händen.
Gemäßigte Muslime kontra Salafisten: Junge Aktivisten demonstrierten im Juli auf der Kettwiger Straße gegen die „Lies“-Koranverteiler. Dafür hatten sie sich als „Gotteskrieger“ verkleidet – mit angeklebten schwarzen Bärten und blutrot gefärbten Händen. © Ulrich von Born/ FUNKE Foto Services
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