Essen. Zahlen sind Schall und Rauch: Trotzdem: Im 21. Jahr nach Gründung das JOE-Festival nun endgültig erwachsen.

Zahlen sind Schall und Rauch, der die Erinnerungen an den unrühmlichen Aussetzer zu Beginn des Jahrtausends gnädig vernebelt. Jedenfalls ist im 21. Jahr nach Gründung das JOE-Festival nun endgültig erwachsen. Vorbei die Zeiten juveniler Bühnenfestspiele für den heimischen Nachwuchs, denn längst ist der von der Jazz Offensive Essen präsentierte Konzertreigen als eine weit über das Ruhrgebiet hinaus bedeutsame Plattform für aktuelle europäische Entwicklungen etabliert. Was jetzt die 20. Ausgabe eindrucksvoll drei Tage lang im Katakomben-Theater unter Beweis stellte.

Die vielleicht schönste Anerkennung für ihr seit Jahren sorgsam komponiertes Programm bekamen die beiden Festival-Macher John-Dennis Renken und Patrick Hengst diesmal vom Kulturbüro der Stadt Essen. Denn dieses erhöhte erfreulicherweise seine JOE-Förderung – „Das ist nicht selbstverständlich in Zeiten klammer Kassen“, wie Renken zurecht anmerkte. Investiert wurde aber traditionsgemäß nicht in teure Stars, sondern in entdeckungswürdige Orchester, Combos und Solisten quer durch die Republik und darüber hinaus.

Spiel mit reizvollen Kontrasten

Ein schönes Spiel mit reizvollen Kontrasten, wie nicht nur der Vergleich zweier Sängerinnen zeigte. Die eine, Filippa Gojo aus Bregenz, lotete mit ihrem filigran agierenden Quartett ebenso sensibel wie gewitzt die Gefilde kammermusikalischer Jazz-Improvisation aus. Während die in Berlin lebende Lea W. Frey zwei Tage später lustvoll über knackigen Drum’n’Bass-Beats und Peter Meyers elektrisierender Strom-Gitarre die überzeugende Synthese von Jazz, Pop und Rock als Club-taugliches Vergnügen zelebrierte. Die dritte Dame des Festivals, die aus Norwegen angereiste Multimedia-Künstlerin Eva Pfitzenmaier wirkte dagegen mit ihrer elektronisch geschichteten Vocal-Akrobatik zu Video-Projektionen trotz schöner Geschichten oft eher spröde und artifiziell, dennoch interessant.

Stark „Superimpose“ mit wundersam freien Klängen, die Matthias Müller auf der Posaune gegen Christian Mariens raffinierte Rhythm-Pattern setzte, und schlicht hinreißend die heimischen Combos „FC Fritsche“ und „Pep Ventura“, die beide duftige Saxophon-Linien mit delikaten Tasten-Abenteuern und packenden Grooves zu erfrischend modernen Klängen von unaufgeregter Originalität verbanden und dafür mit lautstarkem Jubel belohnt wurden.

Natürlich gab’s auch ganz großes Kino: erst mit der um fünf Folkwang-Jazzer verstärkten holländischen Band „Spinifex Maximus“, die fröhlich im Geiste Willem Breukers musizierte. Und Samstagnacht dann mit dem Kölner „Subway Jazz Orchestra“, das in atemberaubender Präzision die farbenreiche Suite „State of Mind“ ihres Leiters Tobias Wember präsentierte. Ein Breitwand-Vergnügen der Extraklasse, mal druckvoll opulent, mal subtil intim – der klare Höhepunkt des Festivals.

Schließlich spielten der Bassklarinettist Louis Sclavis und sein Duo-Partner Vincent Courtois am Cello – präsentiert in Kooperation mit dem Deutsch-Französischen Kulturzentrum – außer Konkurrenz. Wie gelassen die beiden Stars miteinander tändelten und dabei herzergreifend schöne Melodien der „Folklore Imaginaire“ in betörenden Dialogen voller Zeit und Raum ausbreiteten, das war allerfeinster Kammer-Jazz auf Weltniveau. Und der krönende Abschluss des „20. JOE-Festival“, das als eines der besten in die Annalen eingehen wird.