Essen. „Wir wollen Schule“, forderten Flüchtlingskinder bei einer Demo in Essen-Karnap am Mittwoch. Der Runde Tisch handelte: Montag startet der Unterricht.
Alle Kinder, die derzeit im Flüchtlingsdorf in Karnap leben, erhalten ab Montag täglich zwei Stunden Unterricht. „Die Eltern wünschen sich eine sofortige Beschulung ihrer Kinder – wir handeln“, sagt Michael Schwamborn, Sprecher des Runden Tisches. „Damit möchten wir eine Eskalation der Lage verhindern.“ Hintergrund ist eine Demonstration, bei der Bewohner des Zeltdorfs am Mittwoch ihren Unmut über die Unterbringung kundgetan und den Schulbesuch ihrer Kinder gefordert hatten.
Der Runde Tisch organisiere bereits mit Ehrenamtlichen Kurse für Kinder und Erwachsene im Zeltdorf, das neue Angebot solle aber eine andere Qualität und Verlässlichkeit haben. „Die evangelische Kirche stellt uns Räume an der Hattramstraße für den Unterricht zur Verfügung.“ Das gemeinnützige Zukunft-Bildungswerk engagiere fünf Lehramtsstudenten, die über Werkverträge beschäftigt werden. Noch seien die Kosten von 20.000 Euro für ein Jahr nicht gedeckt, so Schwamborn: „Ich geh’ betteln.“
Sozialdezernent: "Die Stimmung kippt nicht"
Sozialdezernent Peter Renzel freut sich über Engagement vor Ort: „Wir sind dankbar für jedes zusätzliche Angebot. In allen Zeltdörfern bieten Ehrenamtliche ja Deutschkurse, Sport- und Spielgruppen an.“ Doch Renzel bestreitet, dass es eine Verzögerung der Einschulungen gebe. Das Zeltdorf in Karnap werde erst seit Ende November belegt, und um Weihnachten habe die Stadt Betriebsferien gemacht, auch im Einwohnermeldeamt. „Grundlage für die Schulpflicht ist aber, dass die Kinder hier gemeldet sind.“ Aktuell seien aus Karnap neun Flüchtlingskinder gemeldet, sie würden nun zu Seiteneinsteiger-Beratung und Schuleingangsuntersuchung geladen. Die Ersten könnten wohl zum neuen Halbjahr Ende Januar eingeschult werden. In der Karnaper Einrichtung leben 113 Minderjährige, von denen 28 im Grundschulalter sind, 20 älter; andere sind noch nicht schulpflichtig. „Jedes Kind erhält einen Schulplatz, das dauert vier bis acht Wochen“, sagt Renzel.
Als eigentliche Ursache für den Unmut vieler Flüchtlinge sieht er, dass sie monatelang auf den Beginn ihrer Asylverfahren warten müssten. Obwohl die Stadt seit September Büros für zwei mobile Teams des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) bereitstelle, seien die Beamten nur sporadisch vor Ort. Mit der Folge, dass von den 4200 Flüchtlingen in städtischen Einrichtungen 2410 nur eine „Büma“, also eine vorläufige Meldebescheinigung, haben. Er werde daher jetzt ans Bamf schreiben „und Druck machen, dass die ihren Job erledigen“.
Wie schlimm die Ungewissheit sei, habe er jüngst beim Besuch im Zeltdorf am Pläßweidenweg erlebt, sagt Renzel: „Das sorgt bei einigen Leuten für Frust. Aber viele sind auch dankbar; die Stimmung kippt nicht.“ Auch Jens Wientapper, der Kurse im Altenbergshof gibt, beschwichtigt: „Mir gegenüber hat noch niemand eine Wohnung eingefordert. Aber nach fünf Monaten ohne Perspektive im Zelt werden die Glücksgefühle nicht größer.“