Essen. . Das bekannte Apothekenmagazin „medizini“ will mit einem Figurtest für Kinder für Essstörungen sensibilisieren. Essens Apotheker sind skeptisch.

„Stell dir vor, du hättest in letzter Zeit ganz schön zugelegt. Was tust du?“ – das fragt im Januar mal nicht die „Brigitte“. Oder eine der anderen zahllosen Frauenzeitschriften. Nein, es ist die „medizini“, die ihren Lesern diese Frage zu Jahresanfang stellt. Das Problem: „medizini“ ist ein kostenloses Magazin für Kinder im Alter von fünf bis zwölf. Ein Unding, befand eine Apotheke in Baden-Württemberg, boykottierte die Ausgabe und erlangte damit die Aufmerksamkeit von „Bild“ bis „Stern“. Auch in Essen halten viele Apotheker den Test für problematisch.

„Wir finden den Artikel auch überhaupt nicht gut“, betont Auszubildende Vivien Peisker von der Einhorn-Apotheke im Stadtzentrum Essen. Daher habe Chefin Birte Barleben entschieden, den betreffenden Abschnitt aus der „medizini“ herauszunehmen – auch wenn der Test auf der Titelseite angekündigt werde. Das Rausnehmen sei problemlos möglich, da das Magazin wie ein großes Poster aufgebaut sei. Auch wenn der Test nach Aussagen des Verlags für Themen wie gestörtes Essverhalten und Erkrankungen wie Magersucht sensibilisieren soll, sei der Ansatz ein völlig falscher, kritisiert Peisker.

Zielgruppe ist zu hoch aufgehängt

Weniger skeptisch sieht das Corinna Ijarzombek, Pharmazeutisch-kaufmännische Angestellte (PKA) in der Rathaus Apotheke. „Nicht nur 3-Jährige blättern in dem Magazin, sondern auch Mädchen im Alter von 12. Die kommen gerade in die Pubertät und beschäftigen sich dann schon mit solchen Sachen wie Gewicht.“ Daher habe man beschlossen, die Januar-Ausgabe der „medizini“ weiterhin inklusive des Figurtests rauszugeben.

„Die Gruppe, die der Wort & Bild Verlag mit diesem Test anspricht, holt sich die medizini gar nicht. Die Zielgruppe ist zu hoch aufgehängt“, erklärt hingegen Apotheker Ulrich Fisahn von der Brunnen-Apotheke im Südviertel. Die meisten der kleinen Leser begeisterten sich nur für die Poster, nicht für die Texte, so Fisahn. „Wir haben im Team darüber diskutiert und den entsprechenden Teil rausgenommen.“ Dennoch müsse man sich darüber im Klaren sein, dass Körpergewicht in der angesprochenen Altersgruppe durchaus ein Thema sei – auch mit Hinblick auf Mobbing an Schulen.

Kinder vergleichen sich ab der Pubertät

Für Annette Berg, Leiterin des Jugendamtes Essen, ist der Test mehr als problematisch. „Die Fragen ziehen die Mädchen in einen Kreis aus Figurproblemen.“ So etwas in einer Kinderzeitung zu bringen, erzeuge einen gewissen Druck, besonders bei jungen Mädchen.

Das betont auch Hiltrud Kleine-Eggebrecht, Leiterin des Kinder- und Jugendgesundheitsdienstes vom Gesundheitsamt: „Wenn die Pubertät anfängt, fangen die Kinder an sich zu vergleichen.“ Daher müssten Eltern und Lehrer für das Thema Essstörungen sensibilisiert werden. „Man muss das Thema aber positiver angehen“, betont Kleine-Eggebrecht. Denn sonst bestünde die Gefahr, dass Kinder auf Probleme gebracht werden, die sie vorher noch gar nicht kannten.