Essen. Der charismatische Solotänzer Breno Bittencourt verzaubert den „Nussknacker“ im Aalto-Theater. Neben der Arbeit verändert er sein Leben mit einem IT-Studium
So muss ein Prinz sein: gut aussehend, gescheit, willensstark. Und wenn er lächelt, geht die Sonne auf. Breno Bittencourt hat diese Ausstrahlung selbst in Jeans und mit Jetlag. Gerade gastierte er noch mit „Don Quixote“ in seiner Heimat Brasilien. An seiner Seite: Ehefrau Maria Lucia Segalin, wie er Mitglied der Aalto-Compagnie, und die 15 Monate alte Tochter. Jetzt ist er wieder da und verkörpert an Weihnachten wie schon oft die Titelpartie in „Der Nussknacker“.
Fünf Versionen von Tschaikowskis berühmtem Ballett hat er von New York bis Essen getanzt und es ist für ihn derzeit das Schwierigste im hiesigen Repertoire. „Für mich sind klassische Ballette wie ,Schwanensee’ oder ,Dornröschen’ immer schwer. Da kann man nichts verstecken, da muss alles stimmen. Und bei Ben Van Cauwenbergh ohnehin. Bei ihm muss alles flüssig aussehen“, sagt der 33-Jährige, der von dem Intendanten in Wiesbaden mit 18 zum Solotänzer gemacht wurde und bereits 2001 sein „Nussknacker“ war.
Mit einer Maske zu tanzen, ist schon eine große Aufgabe. „Man sieht die Seiten nicht. Das Gleichgewicht ist betroffen, das Drehen und Springen kompliziert“, sagt Breno Bittencourt. Zwei Monate studierte er die Choreografie ein, eine Woche brauchte er, um sich an die Maske zu gewöhnen. „Jetzt merke ich sie nicht mehr.“ Die fixe Verwandlung des Nussknackers schon. In einer Minute fliegen Maske und Oberteil weg, müssen Jacke und Stiefel am Mann sein. „Dann bist du der Prinz, tanzt ein Pas de deux. Da musst du schon sehr schnell und konzentriert sein. Und es soll so schön wie möglich aussehen“, betont der Perfektionist.
Zeitpunkt für den Ausstieg selbst bestimmen
Er schafft das. Mit einer umwerfenden Leichtigkeit, die erarbeitet ist. Mit 16 hat Breno Bittencourt erstmals auf der Bühne gestanden. Mittlerweile ist er weltweit gefragt. Auftritte in Italien, Frankreich, Spanien, Südamerika, in der Ukraine sowie in den USA und Japan gehören zu seiner erfolgreichen Laufbahn und Rollen wie der Frantz in „Coppélia“, der Leonce in „Leonce und Lena“, der Jago in „Othello“, der Albrecht in „Giselle“ oder der Romeo in „Romeo und Julia“. Die letzten beiden sind seine Lieblingspartien. „Mir gefällt alles, was mit Drama zu tun hat.“
Publikumshit im Aalto
Zehn Jahre, von 1997 bis 2007, lief der letzte „Nussknacker“ am Aalto-Theater. Bis zum 31. Januar steht nun die Choreografie von Ballettintendant Ben Van Cauwenbergh auf dem Spielplan. Alle Vorstellungen sind ausverkauft.
Eine winzige Chance doch noch dabei zu sein, bieten reservierte Karten, die nicht abgeholt werden, oder Karten, die zurückgegeben werden. Ein Anruf bei der Theaterkasse, 8122 200, könnte sich lohnen.
Ben Van Cauwenbergh verspricht: „,Der Nussknacker’ kommt nächste Saison wieder.“
Im wahren Leben mag er es nicht. In der siebten Spielzeit glänzt er nun am Essener Aalto-Ballett und an ein anderes Haus zu wechseln, kommt nicht infrage. „Dann schon etwas ganz anderes machen“, erzählt er gelassen von einem gut geplanten Schritt. „Ich habe gerade mein Studium in Informationstechnik abgeschlossen neben dem Beruf. Leicht waren die fünf Jahre nicht. Aber ich möchte nicht, dass es mir wie Freunden ergeht, die sich lange keine Gedanken gemacht haben und irgendwann nicht mehr tanzen konnten.“
Er will den Zeitpunkt für den Ausstieg selbst bestimmen. Glücklich genug sei seine Karriere gewesen, sagt er noch. Und dass er jetzt mit seiner Familie mehr Stabilität brauche. „Das heißt nicht, dass ich nicht mehr tanzen will. Vielleicht die nächste Spielzeit noch.“ Vielleicht noch mal den Prinzen.
Requisiten für magische Momente
Sie haben ein tolles Gebiss, aber Nüsse knacken können sie nicht. Die Helden im Weihnachtsballett „Der Nussknacker“ sind klein und groß, aus Papier und Leim, aus Kunststoff und Farbe, aus Fleisch und Blut. In wochenlanger Arbeit wurden sie in Form gebracht. Und alle können sich auf die eine oder andere Art verwandeln.
Der kleine misst 60 Zentimeter nach den Vorgaben von Kostümbildner Dorin Gal. Aus Styropor geschnitzt, in Gips gehüllt, in Kunststoff gegossen hat ihn Rüstmeisterin Martina Flößer. Wie passend. Denn die Puppe ist ein Husar mit blauroter Uniformjacke, kräftigen Zähnen und durchdringendem Blick. Er muss leicht in der Hand liegen, „weil das Mädchen, das ihn geschenkt bekommt, so klein ist“, sagt Martina Flößer. Für sie als ehemalige Plastikerin kein Problem. Mit Materialeigenschaften kennt sie sich aus. Um den reibungslosen Ablauf auf der Bühne zu gewährleisten, ist er gleich zweifach vorhanden. Einmal am Stück, einmal zerbrechlich. Dafür hat sie ihm eigens einen Magneten in seinen Bauch gebaut.
Die Masken, die Breno Bittencourt als Titelfigur trägt, haben es ebenso in sich. Sie wurden wegen des Wiedererkennungseffekts parallel mit der Puppe hergestellt. Wieder gibt es zwei Varianten, die nach dem Kopfabdruck des Tänzers von Maskenbildnerin Dagmar Bröck gefertigt wurden. Erfindungsreich, wie sie ist, verwendete sie Papier aus dem Toilettenspender. Eine stabile Maske entstand daraus, die ihm im magischen Moment vom Kopf fliegt. Und eine eng anliegende, sehr leichte. „Die Passgenauigkeit ist dabei wichtig, damit sie sich nicht verschiebt, wenn er eine Drehung macht“, erklärt sie. Breno Bittencourt ist begeistert: „Die Werkstätten tun wirklich alles, um es uns Tänzern zu erleichtern