Essen. In Essens Aalto-Opernhaus feierte die „Nussknacker“ Choreographie von Ben Van Cauwenbergh Premiere. Er verlegt die Geschichte mit einem Augenzwinkern in die Villa der Dynastie „Stahlbaum“.
Wenn Schneeflocken und Blumen tanzen, ist der „Nussknacker“ nicht weit entfernt. Zumindest im gleichnamigen Tschaikowski-Klassiker, der derzeit an NRW-Theatern mal wieder eine Renaissance erlebt. Eine Woche nachdem der Chefchoreograph der Pariser Opéra Benjamin Millepied in Dortmund seine streng designte Fassung präsentierte, feierte nun in Essens Aalto-Opernhaus die Choreographie von Ben Van Cauwenbergh Premiere. Essens Ballettchef und Bühnenbildner Bill Korg setzen auf prächtige Luftpaläste, in denen, für die Mädchen Clara und Louise, Träume zur getanzten Wirklichkeit werden. Und auf ein Traumschiff, auf dem Prinz Karl und Prinzessin Louise in exotische Ferne segeln und in reine Ballett-Magie entführen.
Van Cauwenbergh verlegt die Geschichte, mit Augenzwinkern und Anspielung auf Essens Groß-Clan, in die Villa der Dynastie „Stahlbaum“ mit dem angetrunkenen Hausdiener James – eine Art Leihgabe aus „Dinner for one“. Außerdem mutieren hier Mäuse und Mausekönig zur düsteren Familie Rattenstein. Fantasiebeflügelnde Kostüme in allen Szenen: Sie stammen von Dorin Gal.
Leichte Ironie, mit der der Jahrmarkt der Eitelkeiten in der High Society auf die Schippe genommen wird, zieht sich durch einen Zwei-Stunden-Abend, der dank der Essener Philharmoniker unter Yannis Pouspourikas (und den Kinder- und Jugendchören) auch zu einem hochwertigen Musikgenuss wird. Die Tschaikowsky-Ohrwürmer leuchten und glitzern aus dem Orchestergraben.
Der Essener „Nussknacker“ bedient in seiner überwiegend traditionellen, aber entstaubten Fassung auch das Bedürfnis nach akademischem Ballett und schwerelosem Spitzentanz, reichlich gesteifte Tutus inklusive. Allen voran betört Moisés León Noriega als Drosselmeier. Er ist hier kein alter Onkel mehr, sondern ein junger, allmächtig erscheinender Zauberer, der dem Mädchen den Nussknacker schenkt. Eleganz vereint der kubanische Athlet Noriega mit enormer Präsenz und makelloser Tanztechnik. Wer die berühmten Variationen und Pas-de-deux des ‚ballet blanc’ liebt, kommt bei Breno Bittencourt (Karl) und Yanelis Rodriguez (Louise) auf seine Kosten. Ihre geschmeidigen Hebefiguren, Balancen und Pirouetten vermitteln zudem eine sicheres Gespür für den klassischen ‚Danse noble’.
Mit Artistik vom Feinsten warten die Nationaltänze in den finalen Divertissements auf. Im Russischen Tanz: Wataru Shimizu als wirbelnder Luftgeist mit rekordverdächtigen Sprüngen. Im arabischen Tanz sorgen die biegsame Xiyuan Bai und der Kraftathlet Nour Eldesouki für sinnliches Vergnügen. Und ernten begeisterten Jubel.
29., 30. Okt., weitere Vorst. Bis Ende Jan. 2016. TEL: 0201/ 8122.201. www.theater-essen.de