Essen. Winfried Leibold hat Krebs und weiß, dass er bald sterben wird. Jetzt ist er in das Hospiz gezogen, in dem er selbst lange Todkranke begleitet hat.

9000 Menschen sterben jedes Jahr in Essen. Viele von ihnen ereilt der Tod plötzlich und überraschend: Ein Schlaganfall. Ein Infarkt. Ein Unfall. Winfried Leibold gehört zu den wenigen unter den 9000, die der Tod nicht überraschen wird. Er hat Krebs. Er weiß, dass er bald sterben wird. Dieses Weihnachten wird sein letztes Weihnachten sein.

Bei Winfried Leibold, 78, wurde vor einigen Jahren Darmkrebs diagnostiziert. „Damals war mir klar, aus der Nummer kommst du nicht mehr raus.“ Der tückische Krebs hatte bereits Metastasen in die Lunge und die Leber gestreut. „70 Chemotherapien. Dann war ich, wie sagen die Ärzte, austherapiert.“ Er sitzt auf der braunen Couch in seiner Wohnung in Rellinghausen. Ein aufmerksamer, ein schlagfertiger Senior, der gerne erzählt. Ein wacher Geist in einem Körper, der nicht mehr kann. Opiate, Sauerstoffgerät und Rollator helfen ihm durch den Alltag. „Ich werde mehr und mehr pflegebedürftig“, sagt der 78-Jährige. Deshalb hat er entschieden, dass er ein letztes Mal umzieht. Ins Hospiz. „Mir war klar, dass ich zum Sterben einen Tapetenwechsel brauche. Den Zeitpunkt wollte ich aber bestimmen. Jetzt ist er da. Noch kann ich aufrecht gehen.“ Aus seiner Wohnung sind es zwei Stockwerke nach unten. „Das schaffe ich.“ Ein letztes Mal. Wieder hoch, das weiß er, wird er die Treppen nicht mehr steigen.

Keinen Kuchen zur Beerdigung

Am vergangenen Freitag war es soweit: Winfried Leibold zog in das Hospiz nach Steele. „Pünktlich um 11 Uhr“, sagt der Pensionär, der jeden Morgen akribisch sein Gewicht aufschreibt. Vor dem Tod, der auf ihn wartet, hat er keine Angst. Der ist schon lange Teil seines Lebens. 15 Jahre hat er selbst im Hospiz in Steele Todkranke beim Sterben begleitet. Auf dem letzten Weg, auf den er sich jetzt begibt. In der Zeitung war er damals auf das Hospiz aufmerksam geworden. „Ich war gerade pensioniert worden und habe mich gefragt, was kommt jetzt?“ Kein Haustier. Kein Modellbau. Kein Heimwerken. Der ehemalige Lehrer entschied sich für die ehrenamtliche Sterbebegleitung. „Ich habe lange jungen Menschen ins Leben geholfen. So konnte ich ältere Menschen aus dem Leben begleiten.“ Auch er wird im Hospiz in Steele begleitet. „Vor dem Sterben habe ich Angst. Ich will nicht, dass der Tod mich holt, ich werde nicht auf ihn warten. Wenn es soweit ist, will ich ihm entgegengehen.“

Winfried Leibold ist bereit für diesen letzten Moment, der, das spürt er, nicht mehr fern ist. Bis auf ein paar Rechnungen für die Krankenkasse und vier Ausgaben der Zeitschrift Zeit, die er noch lesen will, hat er alles geordnet. Selbst die Beerdigung ist vorbereitet. Gershwins Klavierkonzert F-Dur mit Klassik und Jazz. „Mettbrötchen, Gulaschsuppe, Baguettes, Gemüsesuppe - bloß keinen Kuchen.“

Er fragt sich, was von ihm bleibt

Ein erfülltes Leben nähert sich dem Ende.

Einrichtungen in Essen

Das Hospiz am Alfried-Krupp-Krankenhaus in Steele, in das Winfried Leibold am Freitag einziehen wird, hat insgesamt zehn Plätze. Es ist eines von drei stationären Hospizen in Essen.

Die beiden weiteren Einrichtungen sind in Borbeck (zehn Plätze) und in Werden (acht Plätze). Bevor die drei stationären Hospize eingerichtet wurden, gab es bereits mehrere ambulante Hospizdienste. Diese wurden von engagierten Ehrenamtlern gegründet, um Menschen, die zuhause sterben möchten, auf ihrem letzten Weg würdevoll zu begleiten und bei Bedarf auch die Angehörigen zu unterstützen. Insgesamt gibt es in der Stadt derzeit neun stationäre Hospizdienste. 400 ehrenamtliche Mitarbeiter engagieren sich insgesamt in der Hospizarbeit. Die Einrichtung in Steele, die im Sommer 1996 eröffnet wurde, hat beispielsweise 50 Mitarbeiter.

Und bis dahin? „Höre ich Musik. Schaue im Fernsehen Fußball.“ Seine Tochter und sein Sohn sind da. „Und ich sitze oft einfach und schaue Löcher in die Luft. Man ist wieder sehr bei sich selbst, auf sich konzentriert“, beschreibt er die innere Einkehr. Winfried Leibold fragt sich, was von ihm bleibt. Die, die ihn kennen, sagen, dass er eine große Lücke hinterlassen wird.

Er weiß, was ihn erwartet. Vor 20 Jahren hatte er nach einer Lungenembolie eine Nahtod-Erfahrung. Er schaute auf das Bett, in dem sein Körper lag und um das seine Angehörigen standen. Da war Licht und viel Weiß. „Mir ging es sehr gut.“ Dann wurde er zurückgeholt.

Bald wird es Winfried Leibold wieder sehr gut gehen.