Essen. Die Pläne der Essener Stadtverwaltung zur Unterbringung von Flüchtlingen stoßen auf Protest. Ein Kommentar.

Mit den Verwaltungsplänen für 15 Flüchtlingssiedlungen fast ausschließlich am Stadtrand hat Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen nicht den leichten Weg gewählt. Proteste von Anwohnern und der Grünen waren programmiert und kamen zuverlässig – in manchen Stadtteilen sind beide Gruppen auch milieuhaft verbunden.

Inzwischen hört man, dass die letztlich entscheidenden Ratspolitiker bei weitem nicht alle Standorte für Neubauten durchwinken werden und die Stadtverwaltung damit auch ernsthaft gar nicht rechnet. Wollte Kufen mit seinem Paukenschlag also nur den Ernst der Lage dokumentieren? Ging es vielleicht nach dem Motto: Wer fünf Standorte will, benennt 15, damit im Lauf des Verfahrens die zehn umstrittensten unter allgemeiner Erleichterung wieder gestrichen werden können? Vermeintliche Offenheit bekäme so den Beigeschmack des rein Taktischen, was das Vertrauen der Bürger vermindern würde.

Zersiedelung kann Ghetto-Bildung befördern

Abseits der etwas merkwürdigen Kommunikationsstrategie, muss man einräumen, dass es rundum gute, konfliktfreie Lösungen für die lokale Bewältigung der Flüchtlingskrise nicht gibt. Wenn etwa die Grünen fordern, leerstehende Essener Hochhäuser zu nutzen, sind die konkreten Szenarien wenig verlockend: Büro-Etagen als Unterkünfte erfordern nicht nur großen Umbau-Aufwand ohne jede Nachhaltigkeit, denn eine Dauerlösung kann es ja schwerlich sein. Mit Hochhäusern sind generell nicht die besten Erfahrungen gemacht worden, wenn es um Stichworte wie Integration und sozialen Frieden geht. Und wie würde sich das Umfeld solcher Häuser wohl nach kurzer Zeit entwickeln? Viel Fantasie braucht man für die Antwort nicht.

Auch die Zersiedelung kann Ghetto-Bildung befördern, und berechtigte Bedenken wegen der Landschaftsverluste kommen hinzu. Immerhin kann Essen so quasi durch die Hintertür dringend erforderliche neue Baugebiete schaffen. So ganz falsch liegen diejenigen wohl nicht, die der Planungsverwaltung hier eine „verborgene Agenda“ unterstellen. Aber wie auch immer: Integrationspolitisch sind Flüchtlingssiedlungen auf der „Grünen Wiese“ ebenfalls fragwürdig. Das gilt in ähnlichem Maß für die meisten Zelt-Standorte, über deren Bebauung man ja auch mal reden könnte.

Keine Handlungsoption überzeugt

Bleibt der Versuch, Flüchtlinge in leerstehende Wohnungen zu vermitteln. Da muss die Stadt mehr tun, selbst wenn es mühsam ist. Aber: Der Norden und der Osten der Stadt trügen dann die Hauptlast, denn Leerstand ist in Essen ungleich verteilt und wohl sowieso nicht ausreichend vorhanden. Schon weil man Privateigentümer allenfalls mit hohem Aufwand zu irgendetwas zwingen kann, was auch richtig ist. Sonst ist es kein Eigentum mehr.

Es muss etwas geschehen, aber keine Handlungsoption überzeugt. Die Kommunalpolitik ist nicht zu beneiden. Sie zu beschimpfen wäre aber verfehlt, denn sie kann für die Flüchtlingsströme nun auch nichts.