Essen. Der Anteil der Studienanfängerinnen im Fach ist hoch. Bei den Habilitationen liegen aber die Männer deutlich vorne. Förderprogramme sollen das ändern
Das Fachgebiet Gesundheit ist in den NRW-Hochschulen „in“: Die Studentenzahlen im Bereich Gesundheit haben um fast acht Prozent zugenommen und liegen deutlich über dem allgemeinen Studentenzuwachs von 4,6 Prozent. Was an der Medizinischen Fakultät der Uni Duisburg/Essen auffällt: Über 60 Prozent der Studienanfänger in der Medizin sind Frauen. Aber nur wenige von ihnen erklimmen auf der Karriereleiter später Spitzenpositionen. Förderprogramme sollen das ändern.
Kaum Frauen unter den Chefärzten
Die Essener Medizin wird schon seit Jahren weiblicher. Nachdem der Frauenanteil teilweise bei fast 70 Prozent lag, hat er sich bei knapp über 60 Prozent eingependelt. Für das zugangsbeschränkte Fach sind hervorragende Noten notwendig. „Junge Frauen sind in der finalen Schulphase zielstrebiger, können sich besser organisieren und erzielen bessere Noten“, erklärt Prof. Joachim Fandrey, Prodekan für Studium und Lehre der Medizinischen Fakultät Essen. Und die Medizin ist in der Entscheidungsfindung ein begehrtes Fach, weil sie ausgezeichnete Berufsaussichten bietet. „Anfang der 1990er-Jahre hatten wir 100 Bewerber auf eine Stelle. Wenn man heute eine gute Bewerbung in einem großen Krankenhaus einreicht, wird man zum Gespräch geladen“, erklärt Prof. Fandrey.
Nicht nur die Mehrzahl der Absolventen in der Humanmedizin ist weiblich, Frauen führen inzwischen auch die Promotionsstatistik in dieser Disziplin an. Wenn dann auf dem Weg zur Professur aber die Habilitationen anstehen, sinkt ihr Anteil dramatisch: Im Jahr 2011 gab es in NRW 32 Frauen und 109 Männer. Vor allem die fortschreitende Familiengestaltung und die mit Blick auf die Kontinuität der Patientenbetreuung fehlende Flexibilität bei Arbeitszeitmodellen sorgen für diese Entwicklung. Ganz oben auf der Karriereleiter ist der Anteil der Frauen noch erheblich geringer: Unter den 49 Klinikleitern und Chefärzten der Uniklinik sind gerade mal fünf Frauen.
„Investition in die Zukunft“
„Wir können es uns nicht leisten, hoch qualifizierte und motivierte Wissenschaftlerinnen auf dem Weg zur Habilitation zu verlieren“, betont mit Blick auf diese Zahlen Prof. Jan Buer, Dekan der Medizinischen Fakultät. Dort hat man reagiert. Nachwuchswissenschaftlerinnen mit Kindern erhalten durch ein spezielles Programm besondere Unterstützung. Den Frauen wird ein Jahr lang für acht Stunden pro Woche eine studentische Hilfskraft an die Seite gestellt, die in wissenschaftlichen Projektarbeiten eingesetzt werden kann. So können sich die Medizinerinnen auf Forschungsaufgaben konzentrieren, ohne familiäre Verpflichtungen vernachlässigen zu müssen. Zudem setzt man auf ein Mentoring-Programm und flexible Arbeitszeit-Modelle, damit Beruf und Familie besser miteinander vereinbart werden können.
„Wir sehen das als eine Investition in die Zukunft, von der wir in Forschung und Lehre lange profitieren werden“, sagt Gleichstellungsbeauftragte Prof. Ulrike Schara. „Es braucht sicher noch seine Zeit, bis die Maßnahmen greifen. Aber wir sind so auf einem guten und richtigen Weg“, ist Studium- und Lehr-Experte Prof. Joachim Fandrey sicher.