Essen. . Musik-Projekt soll Menschen aus Kriegsgebieten Kultur näherbringen – am Ende eines Workshops stand ein bewegendes Konzert

Im Rahmen des Projekts „Heimat?“ will das Ensemble Ruhr die nach Essen geflohenen Männer und Frauen in den Unterkünften nicht nur kennenlernen, sondern auch mit ihnen zusammen musizieren. Ein abschließendes Konzert mit musikalischer Beteiligung der Flüchtlinge soll am 20. Dezember stattfinden.

Der Aufenthaltsraum im ehemaligen Hauptschulgebäude in Stoppenberg ist ein typischer Klassenraum, viel weiß, viel grau. Farhad steht neben der Tür, er lächelt, ist etwas nervös. „Ich werde ein eigenes Stück spielen.“ Dabei umklammert er die klassische Gitarre fest mit seinen Händen. Sein rotes T-Shirt sticht aus der monotonen Umgebung hervor. Und die will das Ensemble Ruhr heute noch ein bisschen bunter machen – mit zwei Geigen, zwei Bratschen und einem Cello.

Im Rahmen des Projekts „Heimat?“ besuchen fünf Musiker des 2012 gegründeten Ensembles verschiedene Essener Flüchtlingsunterkünfte, um nicht nur für die Vertriebenen zu spielen, sondern vor allem mit ihnen. Dafür haben die Musiker weitere Instrumente wie Trommeln im Gepäck. Und auch sie sind freudig nervös. „Wir werden sehen, was passiert“, erklärt Emanuel Wehse, das Violoncello fest im Griff, und fragt die etwa 40 Männer im Raum, die gespannt auf ihren Stühlen sitzen, gleich zu Beginn: „Was ist die Leidenschaft der Menschen, die zu uns kommen?“

Musizieren auf Augenhöhe

Um diese aus den geflüchteten Männer herauszukitzeln, haben die Musiker etwas ganz besonderes vorbereitet. Von einer Balkantruppe haben sie in einer anderen Unterkunft ein serbisches Volkslied gelernt und für ihre klassischen Instrumente adaptiert. Als dann die ersten, wehmütigen Klänge auf den Streichinstrumenten ertönen, bricht auch das letzte bisschen Eis. Unter Klatschen und übermütigen Rufen singt Selaidin spontan den passenden Text zum Lied, sein Sohn trommelt dazu. Klassik und serbische Folklore – was unterschiedlicher nicht klingen könnte, ergänzt sich perfekt. Und das ist auch das Ziel des Projekts, wie Emanuel zur Begrüßung noch einmal betont hatte – „sich in der Musik auf Augenhöhe begegnen“.

Dann endlich hat Farhad seinen Auftritt. Die Strapazen seiner Flucht lassen sich nur erahnen, als er die Seiten der Gitarre anschlägt. Bevor er vor zehn Monaten nach Deutschland geflüchtet ist, studierte der 30-Jährige in Iran Ingenieurwissenschaften und Musik. „Wir müssen die Männer beschäftigen“, erklärt Aman Aslam den Hintergrund des Workshops. Der 51-Jährige leitet die Unterkunft in Stoppenberg. Bei Bedarf übersetzt er das Gesungene und Gesagte ins Französische, Ehrenamt-Koordinatorin Anne Hemeda ins Arabische, Sozialarbeiter Aziz hilft mit Persisch aus. Doch sie alle schweigen, als Farhad auf der Gitarre spielt. Musik spricht alle Sprachen.