Essen.. Sandrine Isugi (28) hat sich trotz ihrer Sehbehinderung nicht aufgegeben und mit Sebastian Teschler einen Chef gefunden, der ihr eine Chance gibt.
Das Lächeln scheint Sandrine Isugi nie zu verlieren. Selbst wenn sie über die traurigen und harten Zeiten in ihrem Leben spricht. Vor vier Jahren ist die 28-Jährige vollständig erblindet. Andere Menschen wären daran vielleicht zerbrochen. Sandrine Isugi nicht. „Ja, ich habe fünf Monate lang getrauert, die Wohnung nicht mehr verlassen und kaum noch gesprochen. Aber dann war es mir irgendwann zu langweilig.“ Ein Satz, der so locker über ihren Schmerz hinwegwischt, und doch ahnt man, was die junge Frau durchgemacht hat.
Sie musste ihr Sozialarbeitsstudium abbrechen, ging auf die Blindenschule nach Düren, lernte dort die Blindenschrift und das Tastschreiben am PC und entschied sich schließlich für eine Ausbildung zur Physiotherapeutin. Seit drei Monaten hat sie nun auch eine Arbeitsstelle. Ihr Chef Sebastian Teschler erinnert sich gerne an die fröhliche, aufgeweckte Stimme am Telefon, die sich für eine der ausgeschriebenen Stellen interessierte. Erst zum Schluss des Gespräches kam das Übrigens... Als ihm Sandrine eröffnete, dass sie blind ist, da sei das Gespräch ins Stocken gekommen. „Darauf war ich überhaupt nicht vorbereitet“, sagt Sebastian Teschler. Sein Unternehmen Reha Vital, das die Physiotherapie am Lungenzentrum betreibt, sei eine spezielle Praxis, wo die Mitarbeiter auch viel am PC dokumentieren müssen. „Ich habe mich gefragt, ob Frau Isugi dem gewachsen ist, zumal hinzukommt, dass sie eine Berufseinsteigerin ist“. Da waren bei ihm die Zweifel auf der einen Seite und auf der anderen Seite eine junge Frau mit einer „unglaublich positiven Einstellung“, wie sie sich ein Arbeitgeber nur wünschen kann. Sebastian Teschler gab ihr die Chance.
Vor allem aber hätten die Gespräche mit dem Arbeitsvermittler der Arbeitsagentur, Michael Hendricks, geholfen, „Hemmungen und Ängste abzubauen“. Hendricks kümmerte sich darum, dass der Arbeitsplatz von Sandrine Isugi speziell eingerichtet wurde und holte dafür die Partner wie den Landschaftsverband Rheinland ins Boot. „Ein-Rund-um-Sorglos-Paket“, wie Hendricks es nennt. Die gesamten Kosten dafür trugen Arbeitsagentur und LVR.
Ein PC, der sprechen kann
Sandrine Isugi hat in ihrem Behandlungsraum einen PC mit Blindentastatur und einer Software, die ihr die Eingaben vorlesen kann. Auch ein spezieller Wasserkocher steht für sie bereit, auf dem die junge Frau die Bedienelemente gut ertasten kann und den sie für Wärmebehandlungen braucht. Zu Beginn ihrer Tätigkeit hatte ihr ein Trainer gezeigt, wie sie von ihrer Wohnung in Bergerhausen bis zur Praxis in der Stadtmitte kommt und wie sie sich in den Räumen dort orientieren muss. Mit ihrem weißen Blindenstock läuft sie mittlerweile äußert sicher und flink über die Flure.
Die Patienten würden sehr freundlich reagieren, Vorbehalte spüre sie nicht, im Gegenteil. Eine Frau habe zu ihr gesagt, dass sie selbst zwar sehr krank sei, wenn sie aber Sandrines Schicksal betrachte, dann dürfe sie nicht jammern. Getroffen habe sie dieser Satz nicht. „Ich freue mich, wenn ich Menschen Mut machen kann.“
Noch kann Sandrine Isugi, die übrigens mit ihrer Familie vor fast 20 Jahren aus Ruanda floh, noch keine Gruppen allein leiten, so wie ihre 13 Kollegen. „Aber das kommt noch!“ Ihr Chef ist auch so bereits voll des Lobes. „Sie macht alles komplett eigenständig und ist hier der Sonnenschein“. Einen Wunsch hat Sandrine Isugi aber dann doch noch: Sie möchte in ihrem Behandlungsraum bunte Bilder an der Wand. „Und die bekommt sie auch“, verspricht ihr Chef.
Neues Förderprojekt für arbeitslose Schwerbehinderte
Einmal im Jahr ruft die Arbeitsagentur die Woche der Menschen mit Behinderung aus. Mit dieser Aktion will sie ein besonderes Augenmerk auf diejenigen lenken, die es oftmals schwerer haben, einen Arbeitsplatz zu finden. Auch in Essen sind Schwerbehinderte überdurchschnittlich von Arbeitslosigkeit betroffen (siehe Meldung rechts). Doch allein mit einer solchen Woche ist es natürlich nicht getan, Vorbehalte und Vorurteile bei Arbeitgebern abzubauen und die Chancen Behinderter zu verbessern. Deshalb haben Arbeitsagentur, Jobcenter und das Franz Sales Haus jetzt ein gemeinsames Inklusionsprojekt gestartet. Es wird vom Bund über drei Jahre mit 700.000 Euro gefördert. Es soll zum einen die Betreuung der Behinderten verbessern helfen und auf der anderen Seite den Arbeitgebern unter die Arme greifen.
Denn gerade für Unternehmen gibt es zwar viele Unterstützungsangebote – angefangen vom Umbau des Arbeitsplatzes bis hin zu einem Einstellungszuschuss für Arbeitgeber. „Doch es gibt einen Dschungel von Zuständigkeiten, die Arbeitgeber abschrecken“, sagt Bodo Kalveram, zuständiger Bereichsleiter beim Jobcenter. Manches bezahlt das Jobcenter oder die Arbeitsagentur, anderes wiederum fördert der Landschaftsverband Rheinland (LVR). Ziel ist es deshalb, mit dem Projekt eine Art Lotsenfunktion zu übernehmen. „Wir wollen den Arbeitgebern ein fertiges Paket anbieten.“
Das Projekt startete Anfang November mit 14 Teilnehmern. Beim Franz Sales Haus, das große Erfahrung in der Arbeit mit behinderten Menschen mitbringt, kümmern sich seither zwei Vermittler um diese Gruppe. Sie coachen auf der einen Seite die Menschen mit Handicap und nehmen auf der anderen Seite Kontakt zu potenziellen Arbeitgebern auf.
Dass auf einen Vermittler nur maximal neun Arbeitslose kommen, sei eine viel engere Betreuung, als sie Arbeitsagentur oder Jobcenter leisten können, betonte Rolf Heiber, bei der Arbeitsagentur für das operative Geschäft verantwortlich. In den drei Jahren sollen rund 80 behinderte Menschen auf diese Weise gefördert werden.