Essen. . Extremsituationen für die Essener Feuerwehrmänner: Für Marcus Biller als Höhenretter geht es hoch hinaus, für Siegfried Marx als Taucher tief hinab.

Seinen ersten Einsatz unter Atemschutz hatte Siegfried Marx (52) bereits bei der Marine, als er eine Feuer auf einem Schiff löschte. Später im Einstellungsgespräch bei der Feuerwehr versprach der Prüfer: „Bei uns kommen sie auch ins Boot.“ Und dann hat es 28 Jahre gedauert. Heute leitet der Hauptbrandmeister die Wache im Stadthafen, zu der Boot wie Löschfahrzeug gehören.

Die Sonderausbildung zum Taucher machte Siegfried Marx 1988. Inzwischen bildet er als Lehrtaucher aus. Wasserverbunden sei er immer schon gewesen. Wenn er im Tauchanzug samt Ausrüstung und Blei, die immerhin zwölf Kilo Gewicht ausmachen, abtaucht, läuft er auf dem Grund des Kanals in etwa vier Metern Tiefe. Beim Ziegelteich in Altenessen sind es acht. Zu seinen Einsatzgebieten zählen aber auch Baldeneysee und Ruhr, wo die Feuerwehr mitunter nach Menschen oder Gegenständen sucht, wenn die Polizei um Amtshilfe bittet. Regelmäßig finden sie gestohlene Motorräder, beim Übungstauchen auch Gartenstühle.

Mit einer Leine vom Ufer aus gesichert

Gemein ist den Gewässern, dass die Taucher die Hand vor Augen nicht sehen. Es herrscht eine Ausnahmesituation, bei der der 52-Jährige nicht weiß, worauf er tritt oder wonach er greift. „Die Orientierung verliert man schnell“, sagt Marx, den Kollegen am Ufer mit einer Leine sichern, über Zugzeichen verständigen sie sich. Die körperliche Belastung ist groß. Immer weiter zu atmen und nicht darüber nachzudenken, das sei reine Kopfsache. Extrem wird die Anspannung für die Taucher dann, wenn es heißt: vermisste Person.

Zwei Menschen hat Siegfried Marx gefunden, berichtet von einer Suche im Winter, als es im Wasser ganz schnell ging. Die Person wurde reanimiert, „es war aber zu spät.“ Dramatisch war die Suche auch bei dem Austauschschüler, der bei einer Paddeltour in der Ruhr gekentert war. „Er konnte nicht schwimmen und ging unter“, erinnert sich Marx, der noch den roten Schwimmanzug mit den weißen Streifen vor Augen hat. Der junge Mann überlebte nicht.

„Es macht zwar einen riesigen Unterschied, ob man seinen Job macht oder es die eigene Familie betrifft“, sagt Marx über die Belastung in diesen Fällen, in denen die Wehrleute zunächst abschalten. Nach den Einsätzen könne er mit Kollegen sprechen, wenn nötig auch mit Profis, die den Feuerwehrleuten zur Verfügung stehen, erklärt Marx, der zweifacher Vater ist und offenbar großes Vorbild. Sein Sohn macht derzeit eine Ausbildung: zum Feuerwehrmann.

Ein Wehrmann im Wasser

Wenn die Drehleiter an ihre Grenzen stößt, übernimmt Marcus Biller: Der Brandmeister ist Höhenretter bei der Feuerwehr. Droht eine Jalousie in der zehnten Etage des Postbank-Gebäudes auf den Bürgersteig herab zu stürzen, geht es für den 33-Jährigen hinauf. Nach oben gelangt er in der Regel durchs Treppenhaus oder mit dem Aufzug, nach unten geht es mit Seilen gesichert über die Außenfassade.

Diese schwindelerregende Höhe hat den gelernten Industriemechatroniker gereizt, der nun in Rohbauten auf schmalen Eisenträgern balanciert und privat Triathlon macht und Motorrad fährt, „um den Kopf frei zu kriegen.“ Ausschlaggebend für seine Sonderausbildung war ein Einsatz in Rüttenscheid, als er selbst noch in der Grundausbildung war und ein übergewichtiger Patient mit Hilfe von Höhenrettern und Kran aus dem Haus gehievt wurde. „Die Kombination aus Mensch und Technik hat mich fasziniert.“

Heute kennt er die enorme Herausforderung bei einer Rettung, wenn sich zum Beispiel ein Bauarbeiter in der zehnten Etage eines Hochhauses ein Bein bricht. Extrem schwierig werde es, „wenn der auf halber Höhe realisiert, wo wir sind“, sagt Biller. Die Person auf der Trage sieht keinen Boden, ein kleiner Windstoß reicht, dann schwankt es ordentlich. Bricht auf dem Weg Panik aus, sei die Lage nur schwer wieder in den Griff zu bekommen. Daher muss Biller sie vorher richtig einschätzen, der Notarzt hilft auch dann, wenn zunächst Medikamente nötig sind.

Absolute Schwindelfreiheit vonnöten

Notwendig für die Aufgabe als Höhenretter sind zudem neben absoluter Schwindelfreiheit: „Sich auf die Kollegen und das Material zu verlassen“, sagt der Brandmeister, der doppelt gesichert an elf Millimeter dicken Seilen hängt und keinen Fehler machen darf. Kontakt mit den Kollegen hält er über einen digitalen Meldeempfänger.

Am einfachsten sei das Abseilen an glatten Hochhauswänden, komplizierter wird es bei verwinkelten Industriebauten wie Zollverein oder bei Flachdächern, an denen die Seile sich schlecht fixieren lassen.

Für den Höhenretter geht es beruflich allerdings nicht nur hoch hinaus, seine Einsätze führen ihn auch mehrere Meter in die Tiefe, wenn ein Arbeiter in einem Schacht verunglückt. Auf einen riesigen Baum kletterte Marcus Biller nach dem Pfingststurm, da die Äste mit der Motorsäge von der Leiter aus nicht zu erreichen waren. Ob Baum, Rathaus oder Windrad: „Alle Einsätze erfordern immer auch gesunden Menschenverstand und Respekt vor der Situation.“

Viele Interessenten, wenig geeignete Bewerber

Zur Berufsfeuerwehr zählen in Essen rund 730 Kräfte, viele der Beamten machen in ihrer Laufbahn Zusatzausbildungen. In der Grundausbildung sind das etwa die zum Rettungssanitäter oder Atemschutzgeräterträger. Wer Drehleitermaschinist oder Leitstellendisponent werden will, muss bereits Erfahrung, bzw. gute Ortskenntnisse mitbringen und schnell entscheiden können, denn in der Leitstelle landen alle Bürger, die im Notfall die 112 wählen. Zu den Sonderausbildungen zählen unter anderen die zum Höhenretter oder Taucher.

Zweimal im Jahr gibt es bei der Berufsfeuerwehr Einstellungsverfahren (1. April und 1. Oktober). Voraussetzung sind abgeschlossene Berufsaubildung, Sportlichkeit und Teamfähigkeit. Im Auswahlverfahren stehen ein sportlicher und ein theoretischer Teil an, bevor ein Gespräch folgt. Zuletzt gibt der Amtsarzt eine Prognose ab, ob der Bewerber die nächsten 30 Jahre tauglich sein wird. Regelmäßig gibt es pro Runde 350 Bewerber, von denen nach jedem Teil etwa die Hälfte übrig bleibt, sagt Feuerwehrsprecher Mike Filzen und verschweigt nicht die Nachwuchssorgen der Feuerwehr. Das liege oftmals weniger am sportlichen Teil, als am schulischen. Trotz der hohen Zahl der Interessenten, „ist es mitunter schwierig, zehn geeignete Bewerber aufzunehmen.“ Aktuell waren es immerhin 18.