Essen. Bei einem Wettkampf der Apnoe-Taucher ist am Wochenende in Essen ein neuer Weltrekord aufgestellt worden. Schön war's nicht, sondern “voll eklig“.
Ein letzter Flossenschlag, dann ist der Mensch mal weg. Und die Welt hält den Atem an. Oder, nun, mindestens Essen-Steele: Neben der Ruhr vor Spannung, in der Ruhr vor Entschlossenheit. Zwölf Freitaucher sind im Fluss, machen Meter unter Wasser, unsichtbar und ohne jemals Luft zu holen. Weltrekord!
Weil: „Das hat noch keiner gemacht.“ Sagt Ideengeber und Tauchlehrer Werner Giove. Das Guinnessbuch kommt zwar nicht, da man Fluss, Strömung und Wetter niemals vergleichen kann, aber das erste Mal ist irgendwie ja immer Rekord. Normalerweise (falls das normal ist) tauchen Apnoe-Taucher nicht weit, sondern tief, im Meer und nicht im Fluss, aber immer halten sie die Luft an und tragen keine Pressluftflasche. Und auf dem Trockenen kriegen die Zuschauer Schnappatmung.
"Eines der spannendsten Tauchgewässer"
Dem Taucher allerdings könnte hier und heute auch aus anderen Gründen die Luft wegbleiben. „Eines der spannendsten Tauchgewässer“ hat man ihnen angepriesen, weshalb sie anreisten aus dem ganzen Land; Flusstauchen ist überhaupt nur in der Ruhr und nur in Steele erlaubt. Aber dann erzählt man den Erwartungsvollen in Neopren, was im Wasser wirklich wartet. Nix bunte Fischchen: „Fahrräder und Gedöns“, sagt einer, „Generationsmüll.“
Im Winter fand man Tresore aus einem Einbruch, schlimmer aber noch: „Im Krieg haben die Leute alles reingeschmissen“, Stahlhelme, Waffen, es geht die Mär von einem Kanonenrohr, und „plötzlich hast du ein Gewehr in der Hand“. Kürzlich entdeckten sie eine Bombe im Flussbett, sie ist jetzt mit einer Boje markiert. Ein historischer Tauchplatz. „Das macht die Ruhr so interessant“, sagt Taucher Tobias: „dass du nie weißt, was dich erwartet.“
Kaum etwas zu sehen im trüben Wasser
Wenn man die Augen offenhält, sei das „geil“, sagt Werner Giove, nur helfen offene Augen heute nicht. Die Sicht sei „beschissen“, kaum zu glauben, dass jemand beim probeweisen Fischen im Trüben einen Drei-Meter-Wels gesehen haben will. „Wir hätten viel zu entdecken gehabt“, glaubt Giove. „Wenn…“ Sie haben jetzt alle ein wenig Angst. Zumal: Die Ruhr ist kein Schwimmbad, auch wenn sie 25 Grad haben soll an ihrer Oberfläche. Es gibt „Berge, Täler, Steine, Felsen“ da unten, „das Wasser kann dich in einen Krater wirbeln“, heißt es, gemeint sind tatsächlich: Bombenkrater.
Aber Angst passt nicht zum Apnoe-Tauchen, also lassen die zwölf sich tapfer selbst zu Wasser mit ihren meterlangen Flossen. „Das waren noch Zeiten, als wir hier geschwommen sind“, sinniert ein Mann im Publikum, in dem auch ein Junge ist mit Hai-Hemd. Dann ist es still, nur die Blesshuhn-Küken tun, was mancher gern würde: Sie schreien. Ein Blick noch aus den Froschbrillen, dann sehen die Zuschauer nichts mehr, die Schwimmer auch nicht. Hannelore erzählt später von einer „schwarzen Wand“ und dass sie ihren Kopf „lieber nicht irgendwo vordonnern“ wollte.
Taucher verheddert sich mit Fuß in der Leine
Dabei hat Tauchlehrer Giove gesagt, man tanze im Wasser „wie ein Luftballon“, nur könne die Strömung den Körper vom Kurs abbringen. Sie haben extra ein Seil gespannt, und doch: Eine Frau kommt vom Weg ab, taucht erstaunt am Ufer auf, „man sieht nix“. Ein anderer hat sich mit dem Fuß „in der Leine verheddert, ein Riesenschreck“!
Tauchrekord in der Ruhr
Hannelore, die 70-Jährige, wollte wenigstens ihr Lebensalter in Metern schaffen. Es sieht nicht danach aus, sie taucht auf, „als es zwickte in den Rippen“, doch dann sollen es 97,5 Meter gewesen sein. Ein Rechentrick: Ihre mit Markierungen am Leinpfad grob geschätzten 65 Meter nahmen die Veranstalter mal 1,5 – „wegen der Kurve, die die Ruhr hier macht“. Die Flussbiegung hat indes niemand sonst erkannt, aber man freut sich für die Gewinner, die eine Urkunde kriegen. Und einen „Rausch“ hatten, wie Hannelore sagt. „Ich war immer schon verrückt, das werde ich auch bleiben.“
"Voll eklig", sagt der inoffizielle Rekordhalter
Wie sie so aus dem Fluss klettern, blass um die Nase und verschlammt um die Beine, sagen sie „schön“ und „toll“ in die Kameras, aber später stehen sie abseits und sagen so: „Was fandst du denn daran schön? Steine glotzen?“ Jonas, der neue und erste inoffizielle Weltrekordhalter sagt, noch außer Atem: „Voll eklig, ein ungutes Gefühl. Unheimlich.“ Aber 225 Meter! „Na, immerhin.“ Klingt wie: nicht zur Nachahmung empfohlen.
