Essen. . Im Schnitt hat jeder Essener 19.545 Euro im Jahr zur Verfügung. Im NRW-Vergleich liegt die Stadt nur noch im letzten Drittel. Erklärungsversuche.
Die Essener sind von der Einkommensentwicklung immer mehr abgehängt: So stiegen die verfügbaren Einkommen in den vergangenen zehn Jahren hier deutlich geringer als im Landesdurchschnitt. Mehr noch: Essen ist dadurch im Vergleich der NRW-Städte abgerutscht.
Das verfügbare Einkommen ist das Einkommen, das sich aus Löhnen, Gewinnen aus selbstständiger Arbeit, Renten, Sozialleistungen und Vermögensgewinnen zusammensetzt – abzüglich von Steuern und Sozialabgaben. Grob gesagt ist es das Geld, das jedem Einwohner für Konsum und Sparzwecke übrig bleibt. Die jüngsten Zahlen des Statistischen Landesamtes zeigen: Im Durchschnitt verfügt jeder Essener über 19.545 Euro im Jahr. Die Zahl stammt aus dem Jahr 2013. Neuere gibt es noch nicht.
Damit haben die Essener zwar rund 2000 Euro mehr im Geldbeutel als vor zehn Jahren. Mit der Entwicklung im Land konnten sie damit aber nicht Schritt halten: Im NRW-Durchschnitt sind die Einkommen nämlich um fast 3000 Euro auf 20.571 Euro gestiegen. Mit dem Pro-Kopf-Einkommen von 19.545 Euro im Jahr liegt Essen mittlerweile auf Platz 285 im Landesranking – und somit im letzten Drittel der 396 Städte und Gemeinden. Vor zehn Jahren rangierte die Stadt noch auf Platz 172 und somit im guten Mittelfeld. „Essen ist seit Jahren gebeutelt“, sagte der Geschäftsführer des örtlichen DGB, Dietmar Hillebrand.
Arbeitslosigkeit hat sich kaum verändert
Die Gründe dafür sind sicher vielschichtig, mehrere Erklärungsansätze aber liegen nahe. Erstens: Trotz Rentenerhöhungen ist das Rentenniveau in Essen gesunken. Laut DGB bekam ein Mann im Jahr 2003 im Schnitt noch rund 1035 Euro Rente. 2013 waren es nur 990 Euro.
Zweitens: In den vergangenen 15 Jahren sind in Essen rund 35 Prozent der Industriearbeitsplätze abgebaut worden. Viele schleichend, ohne größere Betriebsschließungen. „Gerade im produzierenden Bereich aber haben die Menschen gut verdient“, meint Hillebrand. Dagegen ist der Dienstleistungssektor stark gewachsen. Doch dort sind Arbeitsverhältnisse mit niedrigeren Löhnen eher an der Tagesordnung. „Menschen müssen von ihrer Arbeit leben können. Das predigen wir seit Jahren“, kritisierte Hillebrand die Entwicklung.
Drittens: Die Arbeitslosigkeit hat sich in den vergangenen Jahren kaum verändert, obwohl es immer mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in Essen gibt. Vor allem die Zahl derjenigen, die von Hartz IV lebt, hat zugenommen. 2005 erhielten rund 72.000 Essener die Sozialleistung – 2013 waren es fast 11.000 mehr. Das drückt natürlich das Einkommensniveau.
Viertens: Auch die Krise großer Konzerne wie Karstadt oder RWE dürfte sich ausgewirkt haben, schätzt Prof. Roland Döhrn, Konjunkturexperte des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen. Die Gehälter dort fielen längst nicht mehr so üppig aus, zudem seien viele Arbeitsplätze – oft gut bezahlt – weggefallen.
Fünftens: Die Statistik besagt aber nur bedingt etwas über das Einkommensniveau in den Essener Unternehmen. Denn sie misst das Einkommen nach Wohnort. Das heißt: Wenn viele Gutverdiener im Umland wohnen, dann kommt das Essen statistisch nicht zugute. Und da Essen die Pendlerhochburg im Ruhrgebiet ist, dürfte sich das entsprechend auswirken. „Essen muss mehr dafür tun, dass sich die Pendler auch zum Wohnen in der Stadt entscheiden“, fordert Hillebrand.