Essen. Essens Wirtschaftsförderer Dietmar Düdden spricht im Interview über die jüngsten Ansiedlungserfolge - und warum das leider kaum neue Jobs bringt.
Brenntag, Eon und RAG verlegen ihre Zentralen nach Essen. Woher kommt dieser Schwung plötzlich nach Jahren gefühlten Stillstands?
Dietmar Düdden: Essen profitiert einerseits von der guten wirtschaftlichen Entwicklung. Andererseits sind Unternehmen im Umbruch und müssen sich für die Zukunft wie im Falle Eon neu positionieren. Viele suchen weiter die Nähe zu ihren bisherigen Standorten. Und dabei kommt ihnen die Qualität Essens in den Sinn.
Womit kann Essen punkten?
Düdden: Es ist die geografische Lage im Ruhrgebiet, die gute Anbindung an die Bahn, den Öffentlichen Nahverkehr, sowie die Autobahnen. Weiter spricht für Essen das gute Preis-Leistungsverhältnis und auch die Qualität der Stadt selbst. Aber auch die weichen Faktoren stimmen: Essen ist die grünste Stadt in NRW, sie hat ein tolles Freizeit- und Kulturangebot und bietet gute Einkaufsmöglichkeiten. Hinzu kommt, dass Essen bereits einige Dax-Unternehmen beheimatet. Sie beschäftigen Mitarbeiter, die auch für neuhinzuziehende Firmen attraktiv sind.
Mal etwas Wasser in den Wein: Die jüngsten Ansiedlungen werden dem Arbeitsmarkt in Essen kaum helfen, denn die Konzerne verlagern nur ihren Sitz und bringen wahrscheinlich den Großteil ihrer Mitarbeiter mit. Den vielen Arbeitslosen in Essen nützt das somit nichts.
Düdden: Wenn wir von Brenntag sprechen, so ist das Unternehmen auf Wachstumskurs und will weiter Mitarbeiter einstellen. Bei den Arbeitslosen muss man unterscheiden. Einige Konzerne in Essen bauen gerade Mitarbeiter ab. Für diese sind die Neuansiedlungen ein gutes Signal. Der Arbeitsmarkt wird sie aufnehmen. Anders sieht dies bei den Langzeitarbeitslosen aus. Diesen helfen die Neuansiedlungen nur zum Teil. Jeder Büroarbeitsplatz zieht jedoch weitere Arbeitsplätze im unternehmensnahen Dienstleistungsbereich nach sich. Aber klar: Wenn wir in Essen ein großes Logistikunternehmen ansiedeln würden, dann würde dies mehr Effekte für Langzeitarbeitslose haben.
Warum bemüht sich Essen dann nicht darum?
Düdden: Weil wir erstens keine so großen Flächen für Logistik haben, und zweitens weil die Politik das auch nicht zulassen würde. Wir haben uns unter den Ruhrgebietsstädten dazu auch abgestimmt. Nicht jeder Standort kann alles anbieten. Denn in erster Linie muss es darum gehen, dass wir Unternehmen hier im Ruhrgebiet halten. Das Problem ist jedoch, dass viele Hartz-IV-Empfänger nicht so mobil sind.
Warum tut sich Essen mit „echten“ Ansiedlungen so schwer? Warum gibt es beispielsweise kaum Investoren aus dem Ausland?
Düdden: In der Industrie gibt es in Deutschland kaum noch Ansiedlungspotenzial, weil die Märkte längst woanders sind. Betrüblich ist es, dass Essen kaum neue Unternehmen in der wachsenden Internetbranche anlockt. Wir sollten aber nicht lamentieren. Mit den jüngsten Ansiedlungen spielen wir im Vergleich der großen Städte ganz vorne mit: acht der 100 umsatzstärksten Unternehmen in Deutschland haben dann ihren Hauptsitz in Essen.
Schön wäre es, wenn solche Entwicklungen auch im städtischen Haushalt ankommen würden. Die Gewerbesteuereinnahmen sinken schließlich seit Jahren.
Düdden: Diese Entwicklungen werden sich sicher auf den städtischen Haushalt auswirken und die Gewerbesteuereinnahmen beeinflussen.
Gibt es denn weitere Unternehmen, die sich derzeit in Essen umsehen?
Düdden: Dazu darf ich nichts sagen. Ich denke aber, dass es mittelfristig weitere gute Nachrichten für den Standort Essen geben wird.