Essen-Werden. Seit 1900 steht die evangelische Stadtkirche an der Heckstraße in Essen-Werden. Reiche Tuchmacherfamilien finanzierten den Bau, Friedrich Alfred Krupp sorgte für die Innenausstattung.

F. A. Krupp steht in geschwungenen Lettern auf dem messingfarbenen Namensschild, das bis heute an der hölzernen Bank in der ersten Reihe angebracht ist und an den berühmtesten Kirchgänger erinnert, der das evangelische Gotteshaus an der Heckstraße in Werden besucht hat. „Tatsächlich war Friedrich Alfred Krupp ein aktives Mitglied unserer Gemeinde“, sagt der ehemalige Werdener Pfarrer Karlheinz Peter, „die ganze Familie Krupp kam zum Gottesdienst. Bertha und Barbara Krupp wurden hier konfirmiert.“ Doch Friedrich Alfred Krupp hat auch den Bau dieser Stadtkirche gefördert und entscheidende Impulse für die Innenausstattung gegeben.

Der Essener Industrielle war sehr angetan vom Jugendstil, der neuen, jungen Kunstrichtung, der er im fernen Berlin begegnet war. Gegenständliche Malerei sei nicht mehr gefragt, organische Formen derzeit in Mode, soll er laut Überlieferung gesagt haben.

77 individuell gestaltete Engelsköpfe

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© Fritz Baum / FUNKE Foto Services

Wie schön, dass ihm die Gemeinde folgte: Wer heute den lichtdurchfluteten, weiten Kirchenraum betritt, dessen Kuppel von vier mächtigen hochstrebenden Säulen getragen wird, stößt überall auf Blumen, Zweige, Blätter, Blüten, Ähren, Palmwedel und Muscheln – sowohl auf den Fenstern als auch auf den Wänden. Lange Schmuckbänder aus blühenden Ranken und Früchten ziehen sich bis „in den Himmel“ hinauf. Mit dem Jugendstil, so mutet es an, wird die Schönheit der botanischen Schöpfung Gottes gefeiert.

Auffallend sind auch die vielen Engelsköpfe, 77 an der Zahl, die man an den Kapitellen, der Kanzel, am Orgelprospekt, an den Türen und den Wandmalereien findet. Jeder Kopf ist individuell gestaltet und soll an Psalm 91,12 erinnern: „Denn er hat seinen Engeln befohlen über dir, dass sie dich auf Händen tragen.“

Werdener Tuchmacher trugen die Baukosten

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Erbaut wurde die evangelische Stadtkirche von 1897 bis 1900, die Kosten von 458 000 Mark trugen zum größten Teil die Werdener Tuchmacherfamilien. Damals war Werden an der Ruhr noch eine eigenständige Stadt. Die äußere Stilform, die der Architekt und Regierungsbaumeister August Senz wählte, lehnte sich an die deutsche Renaissance der Reformation an. Licht und hell wünschte sich die Gemeinde ihren Gottesraum, und so fügte der Architekt 26 Rundbogenfenster ins Sockelgeschoss ein. „Das war ein statisches Wagnis“, sagt Pfarrer Peter, „tragende Wände mit so vielen Fenstern zu versehen.“ Ein Wagnis, das dem Raum seine besondere Atmosphäre gibt.

Wie gleichberechtigt und stolz sich die evangelischen Christen im stark katholisch geprägten Werden fühlten, zeigt sich auch an den Maßen der Kirche an der Heckstraße: Schon von weitem grüßt der schlanke Kirchturm, der mit seinen 57,3 Metern exakt genauso hoch ist wie der Vierungsturm der nahe gelegenen Basilika St. Ludgerus. Und da die Kirche auf einem Hügel errichtet wurde, scheint er aus der Ferne sogar höher zu sein.

Alle Werdener haben für die Sanierung gespendet

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„Ich glaube nicht, dass das gewollt war“, sagt Karlheinz Peter und schmunzelt. 19 Jahre lang war der inzwischen 82-Jährige gemeinsam mit dem ehemaligen Superintendenten Irmenfried Mundt Pfarrer in Werden und hat sich mit der Geschichte seiner Kirche intensiv auseinandergesetzt. „Hier fand nach dem Zweiten Weltkrieg der erste evangelische Kirchentag statt“, erzählt er, „das lag daran, dass diese Kirche im Vergleich zu anderen im Rheinland relativ wenig zerstört war.“ Der Wiederaufbau gelang schnell, doch 50 Jahre nach Kriegsende musste das Gotteshaus innen und außen komplett restauriert und saniert werden.

Eine finanzielle Mammutaufgabe, die nicht nur die evangelische Gemeinde stemmte. „Alle Werdener, ob evangelisch oder katholisch, haben damals für die Sanierung der Kirche gespendet“, erinnert sich Peter. Das sei doch selbstverständlich, habe er von vielen Seiten gehört, schließlich sei die Kirche an der Heckstraße ein wichtiger und zentraler Bau des Stadtteils.