Essen-Kettwig. Geschichten und Histörchen zum Jubiläumsjahr „200 Jahre Krupp“ - die gibt es reichlich. Aber keine Erzählung ist so schön wie die aus Werden, mit den Hauptakteuren Krupp, Kaiser Wilhelm II. und Wilhelm Breidenbach, seinerzeit Kantor der Evangelischen Kirche an der Heckstraße.

Über Breidenbach kann man noch heute erfahren, er sei „eine der angesehensten und populärsten Persönlichkeiten der Stadt Werden gewesen“. Sein Name sei „untrennbar mit dem Werdener Musikleben um 1900 verbunden gewesen“. Er gründete 1892 den Kirchenchor, den er 40 Jahre lang leitete, und er war Konrektor der Heckerschule. Der Absolvent der Königlichen Akademie für Kirchenmusik in Berlin dirigierte bedeutende Konzerte und gründete den Verein für Kirchenmusiker in Rheinland-Westfalen.

Vor allem aber dirigierte er 1913 den größten Werdener Kinderchor – mit 1000 Kindern auch damals eine Attraktion. Wen wundert’s, dass auch der Kaiser dem Kamtor applaudierte...

Seine Majestät kamen gerne ins Ruhrgebiet. Majestät wollten zudem auch „Land und Leute kennen lernen“, und zwar mit dem Dampfzug vom Bahnhof Hügel aus nach Düsseldorf. Nun waren damals die Bäume zwischen Hügel und Werden noch nicht so hoch. Also zeigte Krupp mit der ausgestreckten Hand in Richtung Werden und wies den Kaiser auf die dort neu errichtete und am 24.Juni 1900 eingeweihte Evangelische Stadtkirche hin.

Ein Journalist von damals schrieb ganz begeistert: „Der Kaiser ließ wohlwollend seine Augen auf der neu errichteten evangelischen Kirche zu Werden ruhen“.

Das tat Herrn Krupp sichtlich gut, hatte doch seine Familie finanzkräftig zum Entstehen dieser Kirche beigetragen. Für die Krupps war es „ihre“ Kirche, und ihre Kinder wurden dort auch konfirmiert.

Seit 1900 wohlverwahrt

Auch für Kaiserin Auguste Viktoria wurde es „ihre“ Kirche, denn sie stiftete zur Einweihung die Altarbibel. Seit dem Johannistag 1900 liegt sie wohlverwahrt im Gotteshaus an der Heckstraße.

Aber dieses Geschenk sollte noch ein Nachspiel haben. Karlheinz Peter, Pfarrer i.R. dazu: „Seither hat jede evangelische Kirchengemeinde, die eine neue Kirche baut, das Recht, zur Einweihung den Antrag zu stellen, dass der jeweilige Bundespräsident - oder seine Gattin – dazu eine Altarbibel stiftet.“

Nur die Kaiserlichen Orden, die damals Kirchmeister Huffmann, Baumeister Senz und Pfarrer Geibel erhielten – die gibt es heute leider nicht mehr. Doch die Orgel gibt es noch. Dass die Kirche 1900 eine Orgel der Firma Walcker aus Ludwigsburg erhielt, die mit ihrer großen Klangvielfalt weit über Werden hinaus bekannt wurde, ist auch dem zielstrebigen Kantor Breidenbach zu verdanken.

Der bespielte indes nicht nur die Walckerorgel an der Heckstraße, sondern auch die kleine Orgel der Villa Hügel.

Immer zu besonderen Anlässen, etwa wenn Seine Majestät der Kaiser kamen – und der saß dann in der ersten Reihe der Zuhörer.

Was uns heute aber vor allem interessiert, ist die Art und Weise, wie der Kantor nach Hügel kam: Dem ehrenwerten, absolut vertrauenswürdigen Mann hatte die Familie Krupp einen Schlüssel übergeben, mit dem Breidenbach uneingeschränkten Zugang zu Park und Villa hatte.

Mit diesem Schlüssel in der Tasche fuhr der Kantor per Fahrrad zum Ufer der Ruhr gegenüber der Villa Hügel (der Baldeneysee entstand erst 30 Jahre später) und stieg in ein dort festgemachtes Ruderboot, mit dem er die Ruhr überquerte. Was er aber bei eventuellem Hochwasser machte, ist nicht weiter bekannt. Es darf spekuliert werden, ob Seine Majestät dann auf Orgelmusik verzichten mussten...