Essen. Mehr als nur Kohle: Stoppenberg – stolz auf seine lange Geschichte – war vor 100 Jahren Preußens größte Landgemeinde. Unterwegs mit Ex-Bergmann Gerhard Greiwe aus der Kolonie Stiftsdamenwald. Teil 23 unserer Stadtteil-Serie.
Gerhard Greiwe blickt zufrieden aus dem neu eingebauten Küchenfenster seines Zechenhauses und erfreut sich des herbstsatten Grüns. „Der Garten ist riesig und hinter der Laube fängt schon der Wald an“, sagt der 74-Jährige, der im Lauenbüschken aufgewachsen ist und vor mehr als zwanzig Jahren mit seiner Christel in die malerische Zollverein-Kolonie „Stiftsdamenwald“ gezogen ist. Lokalpatriotischer Stolz schwingt mit, wenn der ehemalige Bergmann (Knappe auf Helene, Hydraulikschlosser unter Tage auf Zollverein, bis 1991 auf der Stabsstelle) über sich selbst sagt: „Ich bin Stoppenberger durch und durch.“
Der Charme dieses geschichtsträchtigen Stadtteils erschließt sich – typisch Ruhrgebiet – auch hier erst auf den zweiten Blick. An die vor-industrielle heile Welt des 17./18. Jahrhunderts erinnern allenfalls Straßenschilder, die beredsam vom bäuerlich-ländlich-katholischen Idyll jener Tage erzählen: von Müllern und Köttern, von Stiftsdamen und Schulzen, von sumpfiger Landschaft und fischreichen Mühlenteichen. Die Straßen tragen urige Namen wie Mühlenbruch, Im Natt, Kapitelacker, Ahrendahls Wiese.
Das ist Essen-Stoppenberg
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Schmuckes Stoppenberger Rathaus
Von Greiwes Siedlung geht’s in wenigen Schritten vorbei an der evangelischen Thomaskirche aus rotem Backstein (eingeweiht 1900) und dem Barbarossa-(Markt)-Platz zum schmucken Stoppenberger Rathaus, das Bombenkrieg und Zerstörungswahn der 60-er und 70-er Jahre unbeschadet überstanden hat: ein wilhelminisches Amtsgebäude mit Uhrenturm und dem Stoppenberger Stiftssiegel von 1547 im Spitzgiebel.
Stadtteilpolitik setzt auf Strahlkraft des Welterbes
Unaufgeregt vollzieht sich das Leben und Wohnen in Stoppenberg, manchmal, nun ja, sogar mit einem „Touch Langeweile“. Bezirksbürgermeister Michael Zühlke (SPD) verspricht sich viel von der Strahlkraft Zollvereins. Die Zeiten, als Stiftung Zollverein und Stadtteilpolitik aneinander vorbei wirkten, gehöre inzwischen der Vergangenheit an. „Wir haben einen kurzen Draht zueinander“, betont er. Als wichtiger Impuls könnte sich die im Bau befindliche Folkwang Universität erweisen – etwa, wenn Studenten hier Wohnungen suchen und Absolventen Start-ups gründen.
„Leider sind viele markante Bauwerke von der Bildfläche verschwunden“, klagt Greiwe, der im Geschichtskreis Zollverein mitwirkt und davon beseelt ist, die Erinnerung an die wechselvolle Stadtteilgeschichte wachzuhalten. Er vermisst den Bahnhof Stoppenberg, natürlich den majestätischen Kaiser-Wilhelm-Turm im Hallopark oder die kürzlich in Brand gesetzte und inzwischen ebenfalls abgerissene Hallo-Gastronomie. Bauwerke, die allesamt in der euphorischen Boom-Phase entstanden, in der auch die Zollverein-Schächte 1/2, 6/9, 3/7/10 und die Fördergerüste von Zeche Ernestine aus dem Boden schossen.
„Wo Bergleute sind, wird immer gut gefeiert“
Nur 563 Seelen zählte 1832 das kleine „Kirchdorf Stoppenberg“, 80 Jahre später war die Zahl auf 12.020 hochgeschnellt. 1906, als zur Landbürgermeisterei Stoppenberg noch Frillendorf, Huttrop, Katernberg, Kray, Leithe, Rotthausen und Schonnebeck gehörten, durfte sie sich mit 74.000 Einwohnern „größte Landgemeinde Preußens“ nennen.
Stoppenberg und Zollverein
Nein, nein, nein: Zollverein, die „schönste Zeche der Welt“, befindet sich nicht – wie oft fälschlicherweise dargestellt – im Stadtteil Katernberg, sondern in Stoppenberg. Mit den Schächten 12, 1/2/8 und der Kokerei ist Zollverein – Ende 1986 stillgelegt – seit 2001 Unesco-Weltkulturerbe. Stoppenberg ist stolz darauf, dieses Symbol des bald untergegangenen Ruhrbergbaus zu beherbergen. Der Doppelbock von Schacht 12 ist zugleich Wahrzeichen des Strukturwandels im Revier.
„Schauen Sie mal hoch zum Giebel“, sagt Greiwe, als wir in der Ernestinenstraße 31 vor der „Alten Post“ stehen. Er deutet aufs imposante Reichspostwappen mit schwarzem Adler und goldener Kaiserkrone. „Früher habe ich hier meine Briefmarken gekauft.“ Jetzt ist es ein gemütliches Lokal, das das Kneipensterben überlebt hat. „Früher hatten wir so schöne Wirtschaften“, schwärmt Greiwe und zwinkert mit dem Auge: „Wo Bergleute sind, wird immer gut gefeiert.“
Hallopark ist eine grüne Oase
Später werden wir noch die Ernestinenstraße hochschreiten bis zum mächtigen Damm der alten Zechenbahn, der jetzt Radweg („Route Nord“) ist, von dort durch ein kleines Wäldchen vorbei am Sportpark und hinein in den Hallopark: eine grüne Oase, in der Stoppenberg fast Naherholungsgebiet ist.
Essener Stadtteilwappen und ihre Bedeutung
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Das Stoppenberger Wappen
Das von Kurt Schweder entworfene Stoppenberger Wappen zeigt auf Silber (Weiß) über einem grünen Dreiberg ein rotes Kreuz und darin vier goldene Kugeln. Die ursprünglichen Namen „Stophenberch“ und „Stouffenberge“ deuten auf eine Bezeichnung für einen Stufenberg (Dreiberg) hin.
Das rote Kreuz gilt als Hinweis auf das adelige Damenstift und die Pfarrkirche St. Nikolaus. Die vier goldenen Kugeln symbolisieren die ehemaligen Gemeinden der Bürgermeisterei Stoppenberg: Schonnebeck, Katernberg, Rotthausen und natürlich Stoppenberg selbst.
Lesenswert ist der Band: „Stoppenberg – ein Stadtteil mit Geschichte“ (120 Seiten), herausgegeben vom Geschichtskreis.
Aber jetzt geht’s erst mal vorbei an der kleinen Feuerwache, der „Nikolausschule II“ (wieder roter Backstein), über die Essener Straße und hinauf zum Stiftskirchen-Friedhof. In Höhe der geschmackvoll renovierten, leuchtend gelb gestrichenen alten Vikarie ist der Straßenlärm schlagartig verschwunden. Und hoch droben auf dem Stoppenberg mit dem fantastischen Ausblick auf Schacht XII und Kokerei herrscht gar himmlische Ruhe.
Drinnen in der Stiftskirche von 1074, der romanisch-gotischen Basilika, versieht Schwester Maria vom Orden der unbeschuhten Karmelitinnen ihren Dienst. Sie deutet auf den Taufstein aus dem 12. Jahrhundert, dem ältesten der Region, und sagt andächtig: „Man spürt, dass die Mauern hier beten.“
Stoppenberg-Statistik
Bei der Größe im Mittelfeld
5,35 Quadratkilometer groß ist Stoppenberg und rangiert damit im Mittelfeld. Stoppenberg liegt im Essener Nordosten, wird eingerahmt von Altenessen, Katernberg, Schonnebeck, Frillendorf und Essen-Mitte (Nordviertel).
Über 17.000 Stoppenberger
17.026 Menschen wohnten zum Stichtag 30. September 2015 in Stoppenberg.
31,8 Menschen teilen sich einen Hektar
Auf einem Hektar leben umgerechnet 31,8 Menschen. Zum Vergleich: In Kettwig kommen nur 11,4 Einwohner auf einen Hektar – in Altendorf ist es am engsten mit 295,8 Personen pro Hektar.
50,5 Prozent Frauen
50,5 Prozent der Stoppenberger sind weiblich. Im gesamten Stadtgebiet sind 51,7 Prozent Frauen.
18,6 Prozent sind 65 Jahre und älter
18,6 Prozent der Stoppenberger sind älter als 65 Jahre. Auf Platz eins rangiert Werden, wo 29,6 Prozent älter als 65 sind. Der jüngste Stadtteil ist das Nordviertel – dort sind 13,2 Prozent älter als 65.
14,7 Prozent mit doppelter Staatsangehörigkeit
14,7 Prozent besitzen die doppelte Staatsangehörigkeit, 13,6 Prozent sind Nichtdeutsche.
37,1 Prozent sind römisch-katholisch
Von 100 Stoppenbergern sind umgerechnet 40,4 Prozent ledig, 44,6 Prozent verheiratet und 8 Prozent geschieden. 37,1 Prozent sind römisch-katholisch, 27 Prozent evangelisch.
51,1 Prozent sind bebaut
51,1 Prozent der Gesamtfläche Stoppenbergs ist bebaut. Der am dichtesten besiedelte Stadtteil ist Holsterhausen, der am geringsten besiedelte Fischlaken (11,9 Prozent).
34,6 Prozent Grünanteil
13,3 Prozent in Stoppenberg sind Parks und Grünanlagen, 2,1 Prozent landwirtschaftliche Flächen, 1,5 Prozent Gartenland und 15,5 Prozent Forst – macht einen Grünanteil von 34,6 Prozent.
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