Essen. Im Flüchtlingsdorf am Altenbergshof in Essen geben Ehrenamtliche Deutschkurse. Erwachsene wie Kinder lernen mit Eifer in der Schule unterm Zeltdach.

Wenn Monika von der Lohe den kleinen Fuchs weckt, sind auch die Kinder hellwach: Sie kommen aus dem Irak und Armenien, aus Syrien oder Somalia und leben nun im Zeltdorf am Altenbergshof im Essener Nordviertel. Das Wort Schulpflicht würden sie vermutlich nicht begreifen, denn für sie ist es eine Lust, Deutsch lernen zu dürfen.

Bevor für die Kinder ein Platz in einer Grundschule gefunden ist, hat von der Lohe eine Zwergschule im Zelt aufgebaut: An diesem Morgen bringt die pensionierte Lehrerin neun Kindern Vokabeln und Selbstvertrauen bei; dabei hilft der Fuchs – eine Handpuppe. Es ist ein kleines Ritual, die Puppe zu Unterrichtsbeginn zu wecken und aus ihrer Schachtel zu holen. Dann wird ein Kind zum Puppenspieler.

Aus dem kargen Raum wird ein Klassenzimmer

Heute ist es Roman aus dem Irak, der die Puppe vorstellt: „Ich heiße kleiner Fuchs, ich komme aus Deutschland. Ich lebe in Essen.“ Es ist so einfach, und magisch ist es auch, wie Roman als Fuchs jede Schüchternheit ablegt. Und wie Monika von der Lohe aus diesem kargen Raum unterm Zeltdach ein Klassenzimmer macht.

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Sie habe lange als Lehrerin im Essener Norden gearbeitet und kenne sich mit buntgemischten Klassen aus, sagt die 67-Jährige, die beim Runden Tisch aktiv ist und zweimal wöchentlich im Zeltdorf unterrichtet. Angesichts der Probleme, die die Integration aufwerfe, „wollte ich Teil der Lösung sein“. Die Arbeit mit den Kindern mache ihr große Freude, aber noch bemerkenswerter finde sie den enormen Lernwillen der Erwachsenen.

Weitere Räumlichkeiten im Viertel gesucht

Den hat auch Jens Wientapper erlebt, der im Ruhestand ist und sich in vielfältiger Weise engagiert. Mit Hans-Joachim Müller-Ehlers hat er vor drei Wochen zum ersten Mal Deutschunterricht im Zeltdorf angeboten. „Da standen gleich 60 Frauen und Männer, die wir anderthalb Stunden bespaßt haben.“

Die Erwachsenen kamen ohne Fuchs aus, doch der Unterrichtsstoff war wie bei den Kindern: Grußformel, Vorstellung, Zahlen, Farben. „Erstmal geht es darum, die Scheu vor dem Sprechen abzulegen“, sagt Wientapper. Das gelte für den Hochschulabsolventen, der fließend Englisch spricht, wie für den Analphabeten, der noch nie eine Fremdsprache erlernt hat.

Flüchtlinge in DeutschlandAm Ende der ersten Stunde fragten die Teilnehmer sofort, wann Wientapper und Müller-Ehlers wiederkommen würden. Seither sind die beiden zweimal wöchentlich zur Stelle, unterrichten mit wachsender Freude. Wientapper ist kein gelernter Lehrer, sondern Diplom-Kaufmann, er geht seine Aufgabe als Macher an, hat Stifte, Hefte, Arbeitsbücher organisiert.

Beachtlicher Stundenplan für das Zeltdorf

Weil 60 Leute für einen vernünftigen Unterricht auf Dauer zu viel sind, sucht er nun im Viertel nach weiteren Räumlichkeiten. Erster Erfolg: Das Berufskolleg im Bildungspark stellt montags bis freitags von 15 bis 17 Uhr vier Klassenräume zur Verfügung; mit Tafel, Kreide, Flipchart.

Gemeinsam haben die Ehrenamtlichen vom Runden Tisch, Wientapper und Müller-Ehlers schon einen beachtlichen Stundenplan für das Zeltdorf aufgestellt: Jeden Tag gibt es Deutschkurse und Kinderbetreuung, dazu kommen Ausflüge und Sportangebote. Bei knapp 400 Bewohnern, die ihre Zeit vorwiegend mit Warten und Behördengängen verbringen, darf es noch ein bisschen mehr sein. Wie sagt Wientapper: „Leute, die Spaß an der Sprachvermittlung haben, sind herzlich willkommen.“