Essen. Ein 73-Jähriger brach an einer Essener Tankstelle in seinem Auto zusammen. Stundenlang habe keiner reagiert, sagt die Familie und bangt um sein Leben.
Der Schwiegervater (73) von Axel Stannies verabschiedete sich am vergangenen Montag gegen 13 Uhr von seiner Frau und fuhr los, um sein Auto an der Tankstelle zu putzen. So wie der Rüttenscheider das immer macht – nur kam er dieses Mal nicht wieder. Um 20.12 Uhr fand die Polizei das Auto und auch den bewusstlosen 73-Jährigen an der Aral-Tankstelle an der Alfredstraße, sagt Polizeisprecher Lars Lindemann.
„Seitdem kämpft mein Schwiegervater wegen Hirnblutungen auf der Intensivstation um sein Leben“, sagt Axel Stannies verzweifelt. Die ganze Familie sei schockiert und fassungslos darüber, dass niemand die Notlage des Senioren erkannt und geholfen habe. Er müsse doch stundenlang dort in seinem Auto gesessen haben. „Der Wagen stand nahe des Kassenbereiches“, sagt der 54-Jährige. Falle das nicht auf, wenn dort ein Auto über Stunden stehe, ein Dauerparker sei wohl in dem Bereich nicht üblich. Dort herrsche außerdem reger Kundenverkehr. „Schaut da niemand nach links und rechts?“, fragt Axel Stannies, der seinen Schwiegervater als sehr verlässlich beschreibt.
Tankstellen-Mitarbeiter "schwer betroffen"
Er habe sein Auto sehr sorgfältig und gründlich gereinigt, daher machte sich die Familie auch nicht gleich Sorgen. Dann aber habe seine Schwiegermutter angerufen. Es hätte ja ein Autounfall passiert sein können, sie riefen also in den umliegenden Krankenhäusern an.Um kurz nach acht Uhr ging abends der Notruf bei der Polizei ein, Minuten später hatten sie den Vermissten gefunden. Um 20.13 Uhr alarmierte die Polizei die Feuerwehr, und ein Rettungswagen rückte aus. „In solchen Fällen zählt etwa nach einem Schlaganfall wie nach einem Herzinfarkt jede Minute“, sagt Feuerwehr-Sprecher Mike Filzen. Sein dringender Appell: Personen, die hilfebedürftig erscheinen, im Zweifel ansprechen. Auch wenn das mitunter unangenehm sein mag, sollte man das mit Fingerspitzengefühl angehen. „Jeder sollte mit offenen Augen durch die Welt gehen.“
Die Mitarbeiter der Tankstelle hätten den Wagen des Seniors an diesem Tag durchaus gesehen, sagt Aral-Sprecher Detlef Brandenburg. Es sei aber niemand darauf gekommen, dass etwas Schreckliches passiert sein könnte. Denn es habe sich um einen Stammkunden gehandelt, der oft zum Autoputzen kam und mehrere Stunden blieb. Zwar könnten die Mitarbeiter den Kassenbereich bei einer so stark frequentierten Tankstelle nicht ohne Weiteres für Inspektionsgänge verlassen, sagt Brandenburg. Es hätte sich jedoch sofort jemand gekümmert, „wenn er etwas Ungewöhnliches beobachtet hätte“, versichert der Sprecher. „Auch die Mitarbeiter sind schwer betroffen“, sagt er. Was ihn hingegen wundere, dass der hilflose Mann keinem der vielen Kunden aufgefallen sei.
Für den Schwiegersohn ist das Geschehene schon deshalb nicht nachvollziehbar, da er selbst ein Mensch ist, der nicht lange überlegt, sondern zupackt. Wie vor vielen Jahren, als ein betrunkener Fußballfan in den Bus steigen wollte, den er fuhr. Der Mann krachte stattdessen rückwärts in eine Schaufensterscheibe, erzählt Axel Stannies, der nicht zögerte und dem Mann damit wohl das Leben rettete. Diese Hilfe hätte er sich auch für seinen Schwiegervater gewünscht: „Jetzt schwanken wir zwischen Hoffen und Bangen.“