Essen. Essen. Stadt und Bfz starten ein bislang wohl einzigartiges Integrationsprojekt für bis zu 100 Neuankömmlinge.
In der größten Unterbringungs-Not sollte das Bildungshotel des Berufförderungszentrums an der Karolingerstraße zwischenzeitlich schon als Bleibe für Flüchtlinge herhalten. Doch eine reine Versorgung von Menschen in Not wäre der Intention des Traditionshauses im Süden Altendorfs kaum gerecht geworden. Wo in Zeiten der Montankrise der 60er Jahre Arbeitslose durch Umschulung und Fortbildung neue berufliche Hoffnung schöpfen konnten, sollte mehr möglich sein zur Bewältigung der derzeitigen Flüchtlingskrise auf kommunaler Ebene.
Ziemlich viel sogar: Gemeinsam wollen die Stadt und die Bfz-GmbH einen Schritt nach vorne machen, einen ersten nennenswerten in Richtung Integration, um gleichzeitig Platz in den Notunterkünften zu schaffen und den Menschen mit einer Bleibeperspektive den gesellschaftlichen Anschluss durch Sprachförderung und Qualifizierung zu ermöglichen. Die ersten 15 T eilnehmer eines neuen und in der Republik womöglich einzigartigen Integrationsprojekts für sprachliche und berufliche Bildung sind bereits in das Hotel eingezogen, weitere 85 Neuankömmlinge sollen ihnen aus den Flüchtlingsdörfern folgen, um sich für eine Zukunft in einem für sie fremden Land schulen und beraten zu lassen. Die Stadt bezahlt Kost und Logis wie in den Asyl-Unterkünften auch, das Bfz stellt Technik und Betreuer für den Spracherwerb.
Die Unterstützung beginnt mit Sprachkursen, danach sollen Qualifizierungs- und Beschäftigungsangebote in den unterschiedlichsten Gewerken der EABG-Firmengruppe die Menschen voranbringen, die zusätzliche Begleitung bei der Wohnungs- und Arbeitssuche bekommen.
"Wie wir mit den Menschen umgehen"
Oberbürgermeister Thomas Kufen ließ es sich gestern nicht nehmen, das außergewöhnliche Konzept nach Wochen der Notunterbringung als einen wichtigen Aufbruch in Richtung gesellschaftlicher Teilhabe von Flüchtlingen in dieser Stadt im Beisein von Sozialdezernent Peter Renzel, der Aufsichtsratsvorsitzenden der Essener Arbeit-Beschäftigungsgesellschaft (EABG) als Bfz-Träger, Julia Kahle-Hausmann (SPD), und Hartmut Kütemann-Busch, Geschäftsführer der EABG-Gruppe, vorzustellen: „Die Integration der Menschen ist unsere kommunale Aufgabe. Leider kommen wir nicht dazu, sie im vollen Umfang zu erfüllen“, sagte Kufen mit Blick auf die alle Kräfte bindende und nicht enden wollende Daueranstrengung, den ankommenden Menschen erst einmal ein Dach über dem Kopf bieten zu können.
Doch eben nicht nur die Unterbringung und Verpflegung von zuletzt 30 Neuankömmlingen täglich sei das zentrale Thema in der Stadtpolitik, sondern insbesondere die Antwort auf die Frage, „wie wir mit den Menschen umgehen“, sagte Kufen, der für Bau und Betrieb von Flüchtlingsunterkünften „eine volle Kostenerstattung durch Bund und Land“ fordert. Nicht zuletzt, um der Stadt finanzielle Räume zu verschaffen, ihrer eigentlichen Aufgabe nachkommen zu können: Die Menschen, die absehbar hier bleiben, nach Möglichkeit so zu unterstützen, dass sie ein eigenständiges Leben in ihrer neuen Heimat führen können.
Ressourcen sind knapp
„Sprachförderung ist eine vorbereitende Integration, die wir von Anfang an in den Einrichtungen organisieren müssten“, sagte Peter Renzel. Doch das klingt in der derzeitigen Situation nach einer Zukunftsmusik, die noch komponiert werden muss.Um alle Menschen angemessen zu erreichen, fehlen die Kapazitäten. Selbst eine einfache Registrierung dauert Monate.
Die Ressourcen sind knapp und auch die Zahl der Plätze im Bildungshotel sind begrenzt. Daher wählt das Sozialamt in Abstimmung mit der Ausländerbehörde potenzielle Gäste aus. Die Teilnehmer sollten Aussicht auf ein Bleiberecht haben, älter als 25 und jünger als 40 sowie alleinreisend sein. Anhand einer Liste und nach persönlichen Gesprächen mit den Flüchtlingen werden die geeigneten Kandidaten bestimmt, die für eine gewisse Zeit, die sich an dem individuellen Fortkommen orientiert, vorrangig in Einzelzimmern untergebracht in den Genuss des Hauses kommen sollen. Auf den Zwei-Sterne-Standard im Bildungshotel müssen sie übrigens wie jeder andere Gast auch nicht verzichten. Eine Vollversorgung ist sichergestellt, auch an Wochenenden sind die Mensa im Bildungspark und die Hauswirtschaft der EABG für die Flüchtlinge da. Denn leerer Bauch studiert bekanntlich nicht gern.