Essen. . Und warum die unterschiedliche Beliebtheit der sieben existierenden Gesamtschulen in Essen ein Problem ist: Neue Serie zum Schulentwicklungsplan.

Mit einem Paukenschlag hat die Stadt Essen in der vergangenen Woche ihren neuen Schulentwicklungsplan veröffentlicht – den ersten seit 14 Jahren. Eine zentrale, durchaus erklärungsbedürftige These lautet: Es fehlt stadtweit eine Gesamtschule. Das ist nicht ohne Pikanterie, denn erst vor drei Jahren beschloss die Stadt, die Gesamtschule Süd auslaufen zu lassen. Dort werden seitdem keine Eingangsklassen mehr gebildet.

„Spürbar mehr Plätze an Gesamtschulen sind allein durch die Neugründung einer weiteren, mindestens vierzügigen Gesamtschule zu erreichen“, heißt es im Schulentwicklungsplan. Am besten wäre, die Gründung fände in einem bereits bestehenden Gebäude statt. Dafür solle „intensiv“ nach geeigneten Möglichkeiten gesucht werden.

Ulrike Pelikan, Sprecherin der Gesamtschulen und Leiterin der Gesamtschule Holsterhausen, findet die Erkenntnis des Schulentwicklungsplans „erfreulich“, denn damit erhielten Gesamtschulen „die Aufmerksamkeit, die sie verdienen“. Andererseits räumt Ulrike Pelikan ein: „Die Standortsuche ist tatsächlich schwierig.“

Für Nachzügler fehlt oft der Platz

Für Borbeck, eine kleine, aber sehr beliebte Gesamtschule, sind Anbaupläne in der Überlegung. Sie werden von der Stadt als „zwingend erforderlich“ eingestuft. In Schonnebeck, an der Gustav-Heinemann-Gesamtschule, sind bereits 2014 millionenschwere Neubaupläne vom Rat beschlossen worden. Auch diese Gesamtschule hat stets mehr Anmeldungen als freie Plätze. Tatsächlich ist die unterschiedliche Beliebtheit der Gesamtschulen im Stadtgebiet ein Problem. Vier der sieben Gesamtschulen müssen regelmäßig Kinder abweisen. Die anderen drei werden dann mit jenen aufgefüllt, wenn die Eltern es zulassen.

So sind einige Gesamtschulen stets von Beginn an so voll, dass für Nachzügler oder Quereinsteiger, zum Beispiel von anderen Schulen, kaum Platz ist. Das ist ein Problem vor allem ab Jahrgang sieben, wenn an Gymnasien oder Realschulen nach der Orientierungsphase manche Schüler entscheiden, zu einer Gesamtschule zu wechseln.

Im Schuljahr 2012/13 nahmen die Gesamtschulen stadtweit 83 Gymnasiasten auf und 198 Realschüler, von denen die meisten allerdings nach Klasse zehn.

Schule leidet unter Stadtteil-Image

„In Jahrgang neun und zehn sind wir pickepackevoll“, sagt zum Beispiel Julia Gajewski, die Leiterin der Gesamtschule Bockmühle in Altendorf. Essens älteste Gesamtschule, mitten im Brennpunkt gelegen, hat ein massives Image-Problem, das sich in den Anmeldezahlen niederschlägt: 240 Plätze waren für dieses Schuljahr in den fünften Jahrgängen zu besetzen, es meldeten sich zunächst aber nur 128 Kinder an. Gestartet wurde dann mit 171 Fünftklässlern.

„Wir machen hier einen sehr guten Job, auch wenn sich das nur langsam herumspricht“, sagen Gajewski und der Didaktische Leiter der Schule, Reto Stein. Massiv geschadet habe der Schule die zeitweilige Auslagerung der Jahrgänge fünf und sechs in die alte Adelkamp-Hauptschule, Bauarbeiten im Hauptgebäude machten das erforderlich. Im November, hofft die Schulleitung, soll das Kapitel Adelkamp der Vergangenheit angehören. Auch sonst leide die Schule unter dem Image des Stadtteils, andererseits: „Es ist unser Selbstverständnis, mit den Kinder und Jugendlichen aus diesem Stadtteil bestmöglich zu arbeiten.“ Fast alle, die in Klasse fünf kommen, hätten eine Hauptschul-Empfehlung – da sind rund 50 bis 70 Abiturienten, die pro Jahr mit Erfolg die Hochschulreife erlangen, kein schlechter Wert. „Doch die Anstrengungen, die dahinter stecken, werden gesellschaftlich kaum honoriert“, glaubt Gajewski. Dass man an der Bockmühle außerdem das Thema „Inklusion“ groß fährt, bei 1400 Schülern aus 52 Nationen, ist da an dieser Stelle fast nur noch ein Nebensatz wert.