Essen. Minderjährige Flüchtlinge ohne Familie bekommen einen Vormund, der ihre Interessen wahrt. Diese Aufgabe sollen in Essen auch Ehrenamtliche übernehmen.
Unter Hochdruck knüpft die Stadt derzeit ein Auffangnetz für jene jungen Flüchtlinge, die ohne ihre Familien nach Essen kommen. Sie brauchen nicht nur besondere Fürsorge, sie haben auch einen gesetzlichen Anspruch auf einen Vormund, der ihre Interessen wahrt. Doch das Jugendamt wird der „Flut an Neuanträgen“ nicht mehr Herr: Bis zu zwölf neue Fälle kämen momentan pro Woche hinzu. Darum will man die Aufgabe nun auf den Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) übertragen und auch Ehrenamtliche einbinden. Über eine entsprechende Vorlage entscheidet am morgigen Mittwoch der Rat.
Jugendamt kämpft mit einer Flut von Neuanträgen
Derzeit haben in Essen 79 minderjährige Flüchtlinge einen Amtsvormund: „Doch damit sind unsere 16 Vormünder schon hart an ihre Kapazitätsgrenzen gelangt“, sagt Sozialdezernent Peter Renzel. Denn längst betreut jeder von ihnen eine Vielzahl von Essener Kindern, die aus ihren Familien genommen wurden und nun in Heimen oder bei Pflegeeltern leben. Ein Beamter oder Angestellter darf laut Gesetz höchstens 50 Vormundschaften schultern. Schließlich soll der Vormund ein Vertrauensverhältnis zu seinem Mündel aufbauen, es mindestens einmal im Monat besuchen sowie seine Entwicklung eng begleiten.
Bei Flüchtlingskindern sollen das nun zwei Mitarbeiterinnen des Sozialdienstes katholischer Frauen übernehmen. Die Kandidatinnen stünden bereit, sagt SkF-Geschäftsführer Björn Enno Hermans. „Wenn der Rat am Mittwoch sein Okay gibt, kann eine von ihnen schon Montag starten.“ Jede soll maximal 30 Fälle betreuen, weil diese Jugendlichen oft traumatische Kriegserfahrungen mitbringen und eine gefahrvolle Flucht verarbeiten müssen. Dazu kommen Sprachbarrieren, kulturelle und religiöse Besonderheiten.
Die SkF-Mitarbeiterinnen haben Erfahrungen mit interkultureller Arbeit und werden für ihre neue Aufgabe eigens geschult. Ihr Büro bekommen sie in der neuen Clearingstelle der Stadt, wo bis zu 60 minderjährige Flüchtlinge jeweils drei Monate lang leben können. In dieser Phase soll geklärt werden, ob sie langfristig in eine Wohngruppe oder ein Heim ziehen oder von einer Pflegefamilie aufgenommen werden. Wo solche Entscheidungen anstehen, ist es hilfreich, wenn der Vormund gleich im Haus sitzt.
Ehrenamtliche werden geschult
Dass die Stadt die Vormundschaft an einen freien Träger gibt, nennt man Vereinsvormundschaft. Der SkF hat dafür seit geraumer Zeit eine Erlaubnis des Landesjugendamtes. Das sei ein Glücksfall, da nun Eile geboten war, sagt Renzel. Von dem freien Träger erhoffe sich die Stadt auch, dass er die Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen besser organisieren kann.
Denn nach der dreimonatigen Klärungsphase kann man sich vorstellen, ehrenamtliche Vormünder für einzelne Kinder zu suchen. „Das geht natürlich nur bei Jugendlichen, deren Lage und Befinden nicht dramatisch ist“, betont Hermans. Die Ehrenamtlichen werde man dafür schulen und begleiten. Dass der SkF die richtige Adresse ist, hat sich schon gezeigt: „Noch bevor wir überhaupt auf die Suche nach geeigneten Freiwilligen gegangen sind, kamen Leute auf uns zu, die gern ein Flüchtlingskind betreuen wollen“.