Essen. . Vereine fühlen sich hin- und hergerissen zwischen Willkommenskultur und einer Situation, die sie – so ihre Sorge – auf Dauer nicht bewältigen können.
Die Sportgemeinschaft Überruhr hat dieser Tage folgenden Satz auf ihrer Internetseite veröffentlicht: „Die SGÜ heißt alle Menschen, die von Krieg und Verfolgung geflüchtet sind, in Überruhr willkommen, und wir hoffen, dass alle hier zur Ruhe kommen und Schutz finden.“ In dem selben Text informiert der Verein darüber, dass nach einem Notfallplan trainiert wird. Denn die Sporthalle an der Klapperstraße, wo die Handballer sonst ihrem Sport nachgehen, ist gesperrt. In der kommenden Woche wird die Stadt hier bis zu 100 Flüchtlinge unterbringen müssen.
Die Halle in Überruhr ist eine von dreien, die zur Erstaufnahmeeinrichtung umfunktioniert wird, neben der Sporthalle an der Prinz-Friedrich-Straße in Kupferdreh und der Turnhalle an der Goetheschule in Bredeney. Sportvereine stellt dies vor immense Herausforderungen. Das Schreiben der SG Überruhr dokumentiert dabei die ganze Zerrissenheit zwischen Willkommenskultur und der Herausforderung eine Ausnahmesituation zu handhaben, die – wie Funktionäre fürchten – sich auf Dauer nicht handhaben lässt. Keine Halle, kein Sport. Am Ende könne es darauf hinauslaufen.
Die betroffenen Vereine improvisieren, so gut es geht. Sie weichen aus bis nach Borbeck oder Vogelheim wie die Handballer der SGÜ, weil andere Vereine ihnen ein paar Stunden ihrer Hallenzeiten abknapsen. Oder sie trainieren im Festsaal einer ehemaligen Gastwirtschaft wie die Judoka des TV Kupferdreh. Lazar Simikic, 1. Vorsitzender des TVK, schätzt, dass in seinem Verein etwa 1000 aktive Sportler von der Schließung der Sporthalle an der Prinz-Friedrich-Straße betroffen sind – Turner, Kampfsportler und auch Ruderer, die in den Wintermonaten in der Halle trainieren. Hinzu kämen etwa weitere 1000 Teilnehmer diverser Sportkurse. Es trifft eben beileibe nicht nur den Leistungssport, sondern den Sport in seiner ganzen Breite, Erwachsene wie Jugendliche und Kinder. Nicht jeder Betroffene zeige dafür Verständnis.
Da mag Essens Sportdezernent Andreas Bomheuer noch so sehr loben, der Sport rücke enger zusammen in der Not. Auf Sicht stehe die Existenz der Vereine auf dem Spiel, hält dem Wolfgang Rohrberg, Geschäftsführer des Essener Sportbundes (Espo), entgegen. Der TVK kalkuliert bereits mit finanziellen Einbußen in fünfstelliger Höhe. Der 1. Vorsitzende geht davon aus, dass sein Verein zwischen fünf und zehn Prozent seiner Mitglieder verlieren wird.
Das alles mag zynisch klingen angesichts der Not jener Menschen, die zu uns fliehen. Doch es gehe nicht um die Missachtung von Flüchtlingen, betont Jörg Simon, 1. Vorsitzender der SG Überruhr, sondern darum, wie die Stadt mit dieser Notsituation umgehe und den Sportvereinen, die schließlich auch eine soziale Rolle einnähmen. Die betroffenen Vereine fühlen sich schlichtweg überrollt Und nicht nur Simon fällt es schwer nachzuvollziehen, dass die Stadt nicht auf leerstehende Schulgebäude oder Messehallen zurückgreift, statt auf Sporthallen, die jeden Tag von morgens bis abends genutzt werden. Das Schlimmste aber, sagt einer: „Uns fehlt eine Perspektive.“ Seriöse Prognosen aber, kann ihnen niemand geben.