Essen. . Im Elisabeth-Krankenhaus werden regelmäßig schwer verletzte Kinder aus Krisen- und Kriegsländern behandelt. So wie Feueropfer Mursal aus Afghanistan.
Die dreineinhalb Jahre alte Mursal ist ein aufgewecktes Mädchen. Die kleine Afghanin hat schnell Deutsch gelernt. Sie mag Kinder-Hörspiele und Bilder-Bücher. Und Gespräche mit den Menschen, die sie besuchen. Ihr kleines Bett im Elisabeth-Krankenhaus teilt sie mit zehn bunten Stofftieren. Aufstehen und das Bett verlassen kann Mursal nicht. Zumindest noch nicht. „Wir hoffen, dass das bald klappt“, sagt ihre Ärztin Dr. Lona Raab.
Vor sechs Monaten war das, was bald klappen soll, noch undenkbar. Damals sah Dr. Lona Raab, Ärztin für Plastische Chirurgie am St. Josef-Krankenhaus in Kupferdreh, erstmals Bilder des kleinen Mädchens. Ein Feuer hatte Mursals Körper angegriffen. Die unbändige Hitze verklebte den rechten Unterschenkel des Kindes an der Haut des rechten Oberschenkels. Das junge Leben, das gerade erst begonnen hatte, war fast schon wieder zerstört. „Wir wissen nicht genau, wie der Unfall mit dem Feuer passiert ist. Wir wissen nicht, ob Mursal in ihrem Leben überhaupt schon einmal gelaufen ist“, sagt Lona Raab.
Spezielles Programm für Kinder aus Kriegsländern
Das kleine Mädchen aus Afghanistan hatte Glück. Es kam über das Friedensdorf Oberhausen nach Essen. Im Elisabeth-Krankenhaus der Contilia-Gruppe gibt es ein spezielles Programm, mit dem schwer verletzten Kindern aus Krisen- und Kriegsländern geholfen wird. Die Kinder kommen über das Friedensdorf oder das Hammer Forum zu den Essener Ärzten. Die Klinik trägt die Kosten der Behandlungen. Der Förderverein „Ellis Freunde“ des Elisabeth-Krankenhauses unterstützt den Aufenthalt mit Kleidung und anderen Dingen, die den kleinen Gästen den Alltag fern der Heimat und der Familie erleichtern. „Wir sind sehr froh, dass der Förderverein uns unterstützt“, sagt Dr. Peter Liedgens von der Klinik für Kinderchirurgie im Elisabeth-Krankenhaus.
Dort erholt sich Mursal in ihrem Bett und zwischen den bunten Stofftieren von den anstrengenden Eingriffen. Sechs Mal wurde das Mädchen in den letzten Wochen von Lona Raab im St. Josef-Krankenhaus in Kupferdreh operiert. Im ersten Schritt wurde der Unterschenkel vom Oberschenkel gelöst und das Bein begradigt. Hauttransplantationen folgten. „Sie ist unglaublich stark“, sagt die Ärztin über ihre kleine Patientin, zu der sie ein enges Vertrauensverhältnis aufgebaut hat. Der Heilungsprozess macht Hoffnung: Mursal kann die Zehen bewegen. Die Hüfte des Mädchens arbeitet gut. Krankengymnastik und Physiotherapie folgen. „Und dann Krücken“, sagt die Ärztin.
Das finale Ziel hat Lona Raab schon mit Mursal eingeübt: „Ich will laufen“, sagt die Afghanin. Und ihre Ärztin lächelt gerührt. Beide wissen, dass es bis dahin ein weiter Weg ist. „Ich denke, dass das noch ein halbes Jahr dauern wird. Aber vorher lassen wir sie nicht gehen“, betont die Chirurgin. Im Sommer wird es für Mursal zurück in ihre afghanische Heimat und zur ihrer Familie gehen. Und in ein neues Leben. „Der Abschied, der unausweichlich ist, wird mir schwer fallen“, gesteht Lona Raab.