Essen/Mülheim. Die Ermittlungsgruppe Jugend ist bei der Essener Polizei für junge, gewalttätige Straftäter zuständig, um deren kriminelle karrieren zu stoppen.

Der Arbeitstag von Udo Rosenetzke (53) beginnt in einem Besprechungsraum des Polizeipräsidiums, in dem viele Bilder an der Wand hängen: Es sind Fotos von jungen Intensivtätern, die der Kriminalhauptkommissar mit acht weiteren Kollegen betreut. Sie bilden die Ermittlungsgruppe Jugend (EG Jugend) bei der Polizei.

Unter diesen Porträts wird ein Bild des 16-Jährigen gewesen sein, gegen den nun nach einem brutalen Raubüberfall in Altendorf wegen Mordes ermittelt wird. Er war ein Intensivtäter. Seine grausame Tat hat auch die Beamten der EG Jugend, die engen Kontakt zu ihm hatten, geschockt und überrascht.

Seit 2008 gehört die Arbeit mit Jugendlichen, die durch Straftaten mit „hohem Gewaltanteil und durch deren Schlagzahl aufgefallen sind“ zu ihren Aufgaben. Insgesamt hat die Polizei 70 Jugendliche als Intensivtäter im Visier, die zwischen zwölf und 18 Jahre alt sind. 55 von ihnen kommen aus Essen, die anderen aus Mülheim, da das Präsidium für beide Städte zuständig ist.

Wer im Gefängnis landet, reagiert höchstens äußerlich cool

Die Fahnder verbringen etwa die Hälfte ihrer Arbeitszeit im Büro, halten Kontakt zu Schulen, Gerichten oder Ämtern. Vor allem aber bekämpfen sie Straftaten, an denen Jugendliche beteiligt waren. Sie identifizieren dabei viele junge Straftäter, die oftmals keine Intensivtäter sind.

Wer aber bei seinen Taten besonders gewalttätig ist, wird bei der EG Jugend als Intensivtäter aufgenommen und festen Kriminalbeamten zugewiesen. Sie arbeiten immer im Team, sammeln alles über die Person, kennen Straftaten, Verfahren und Strafen und gehen auf den Intensivtäter sowie die Familie zu. „Nur ganz selten spielen die Eltern nicht mit“, sagt Rosenetzke. Persönlichen Kontakt zum Jugendlichen gibt es mindestens zweimal im Monat, sie bauen Vertrauen auf und gebe ihm Orientierung. Der Jugendliche wisse immer, wo er bei ihnen stehe und was sie vorhaben.

Intensivtäter in der Kriminalitätsstatistik

Die EG Jugend betreute 2014 neun Kinder, 99 Jugendliche und zwei Heranwachsende als Intensivtäter. Ein Drittel der aus dem Programm Entlassenen, begeht im Folgejahr keine Straftaten.

Laut Kriminalitätsstatistik 2014 gibt es Taten, an denen unter 21-Jährige als Verdächtigte in höherem Maße beteiligt sind: Raubüberfälle auf Straßen/Plätzen (62 %), gefährliche/schwere Körperverletzung (rund 40 %).

Begeht ein Intensivtäter eine weitere Straftat, wissen die Kriminalfahnder innerhalb von 24 Stunden davon und stehen auf der Matte. „Mit uns läuft es anders für den Täter, das merkt der“, sagt Rosenetzke. Klare Ansagen, ehrliches und gerechtes Handeln gehören zu ihrem Auftreten. „Unsere Strenge ist die Konsequenz.“ Sie formulieren nicht nur deutlich: „Ich sperre Dich ein und führe Dich dem Haftrichter vor“, nennt Rosenetzke ein Beispiel. Sie tun das auch. Und wer im Gefängnis lande, der reagiere höchstens äußerlich cool. Manche bitten dann gar um Hilfe, um nie wieder in die Zelle zu müssen. Sie haben ihre Einbahnstraße mitunter erkannt, kommen allein aber nicht heraus.

Verfestigte Karrieren lassen sich kaum zurückdrehen

In den Stadtteilen sind die Beamten inzwischen bei vielen Jugendlichen bekannt. Ist die Ermittlungsgruppe erst einmal mit im Boot, „fahren sich die Intensivtäter in der Regel zunächst zurück.“ Damit das so bleibt, machen die Kommissare ihnen jederzeit deutlich: „Wir haben ein Auge auf Dich“, sagt Udo Rosenetzke, der aus vielen Gesprächen die andere Seite der Straftäter kennt. Er hört oftmals von Ängsten, Nöten, Problemen zu Hause und in der Schule. Es sind mitunter bittere Schicksale der Jugendlichen, auf die er trifft, auch wenn das natürlich nichts entschuldige.

Die kriminelle Karrieren der Tennager in der ersten Phase zu stoppen oder sie gar nicht beginnen zu lassen, daran arbeiten die Fahnder mit Nachdruck. Denn verfestigte Karrieren ließen sich kaum zurückdrehen: „Wir bleiben so lange dran, bis der Jugendliche ein Jahr straffrei ist.“ Manchmal aber beendet auch eine lange Haftstrafe den Kontakt.