Essen. Der erste Chor für krebskranke Menschen und ihre Angehörigen probt im Essener Chorforum. Die Musik sorgt für neue Lebensfreude und Gemeinschaftsgefühl
Für Außenstehende mag es nur eine Chorprobe sein, für Susanne Eymael ist es jedes Mal auch Teil einer ganz persönlichen Feier. Das Leben wieder zu feiern, das hat die Essenerin nach ihrer Krebserkrankung erst durch das gemeinsame Singen wieder gelernt: „Da hat sich etwas gelöst.“ Rund 40 Gleichgesinnte sind inzwischen Teil dieses musikalisches Klangfestes. An mehreren Wochenenden haben sie gemeinsam geprobt, gelacht und gespürt, dass man dieser Krankheit noch etwas anderes entgegen setzen kann als Therapien und Tabletten, nämlich: Optimismus, Lebensfreude, Gemeinschaftsgefühl. Kommenden Sonntag nun präsentieren sie im Chorforum an der Fischerstraße, wie das „Singen für das Leben“ klingt. Der bundesweit derzeit noch ziemlich einzigartige Chor ist ein Beispiel für die heilsame Kraft der Klänge.
Chorleiterin Anne-Marie Blink hat die Idee aus den Niederlanden mitgebracht. Blink hat selber drei Krebserkrankungen überstanden. Heute sorgt sie mit ihrer ungemein mitreißenden Ausstrahlung nicht nur dafür, dass auch musikalische Laien ganz schnell in der Lage sind, jenes Glücksgefühl zu spüren, wenn der Wohlklang der eigenen Stimme plötzlich in die Gehörgänge geht und die Seele befreit. Internationale Volksweisen, Kirchenlieder aus Südafrika oder Taizé-Gesänge sucht sie dafür aus, nicht zu komplex, aber ungemein wirkungsvoll im mehrstimmigen Vortrag. „Nicht immer technisch perfekt, aber aus tiefem Herzen“, erklärt Anne-Marie Blink, die ihre „Altos und Sopranos“ im Chorforum an diesem Abend erst einmal Lockerungsübungen absolvieren lässt. Eine Körperhaltung anzunehmen, die schon mal das Gegenteil von Wegducken und Zurückziehen ist, gehört auf jeden Fall zum heilsamen Teil der Übung. Und die positive Energie hält noch lange an, versichert Dagmar Tauch, die nach jeder Probe regelrecht „geflasht“ ist. „Das Schöne ist, dass es keine Vorbildung braucht“, freut sich die Essenerin, die wie viele andere Chormitglieder erst über die Krankheit zur Chormusik gekommen ist. Im Chorforum, wo Nora Meyer-Galow und Wolfgang Weber das Projekt mit initiiert haben, geht man auf die besonderen Bedürfnisse ein. „Die Gruppe trägt einen“, sagt Irene Colditz die für die Chorproben sogar eine Anfahrt von 100 Kilometer in Kauf nimmt: „Die Gemeinschaft tut mir gut.“
Chor-Projekt geht 2016 weiter
Das Abschlusskonzert von „Singen für dein Leben“ findet am Sa., 10. Oktober, 15 Uhr, im Chorforum, Fischerstr. 2-4, statt. Eintritt frei, Spenden erbeten.
Das Projekt geht auch 2016 weiter. Die Proben laufen vom 15./16. Januar bis zum 28. Oktober, jeweils zwei Tage im Monat (Freitagabend/Samstagvormittag). 63 461 500.
Noch haben wenige Männer zu den Proben gefunden. Benjamin Quade ist einer der Ausnahmen, der als Angehöriger einfach Lust hatte, zusammen mit seiner Mutter Musik zu machen. Inzwischen singen die beiden sogar noch gemeinsam in einem weiteren Chor. Musik, so haben nicht nur sie gespürt, befreit und kann dem Gefühl der Hilflosigkeit etwas entgegensetzen. „Anfangs habe ich es mit Yoga versucht, aber da hat mir die Melodie gefehlt“, sagt eine Teilnehmerin lächelnd. Und dann stimmen sie zum Abschluss an diesem Freitagabend noch gemeinsam einen Taizé-Gesang“ an. „Bleibet hier“ klingt es innig durch den Saal. Susanne Eymael und die anderen freuen sich schon auf die Probe am nächsten Morgen.